01. März 2023, 19:48 Uhr

Angst vor dem Wolf wächst

01. März 2023, 19:48 Uhr
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Aus der Redaktion
Er ist auch Thema in den Rathäusern: Der Wolf. Symbolfoto: dpa

Erst am Freitag hatte das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) bestätigt, dass es ein Wolf war, der im Januar neun Schafe in Waldsolms getötet hatte. Am Wochenende nun ein weiterer Rissfund, diesmal in der Gemeinde Hüttenberg. Dort wurde im Ortsteil Vollnkirchen ebenfalls ein Schaf getötet, ein weiteres verletzt. War es auch in diesem Fall ein Wolf? Das wird frühestens in drei Wochen feststehen, teilt eine Mitarbeiterin des am HLNUG angesiedelten Wolfszentrums Hessen (WZH) mit. Nachdem der Fall einem amtlichen Wolfsberater gemeldet worden war, seien Proben an dem getöteten Tier entnommen worden, die derzeit ausgewertet werden, ebenso wie Proben eines Rissfunds in Schöffengrund.

Viele Posts in sozialen Netzwerken

Derweil häufen sich, auch nachdem die Fälle von gerissenen Tieren in den sozialen Medien bekannt geworden waren, Berichte über Wolfssichtungen. So schreibt eine Facebook-Nutzerin in einer Schöffengrund-Gruppe auf Facebook: »Wolf gesehen (...) am Rehbock in Schwalbach. Er war hinter vier Rehen her.« Unter dem Post häufen sich die Kommentare. Eine Nutzerin berichtet: »Ich habe drei Stück (...) zwischen Oberwetz und Oberquembach gesehen.« In einem anderen Post in der Gruppe warnt eine weitere Person: »Achtung in Schöffengrund und Umgebung hat sich ein Wolfsrudel niedergelassen.« Allerdings: »Können Sichtbeobachtungen ohne Fotobeleg nicht verifiziert werden und gelten daher gemäß bundesweiten Monitoringstandards als Hinweis auf einen Wolf, nicht aber als Nachweis«, erklärt die Mitarbeiterin des WZH. Bislang lägen dem Wolfszentrum keine eindeutigen Fotonachweise aus der Region um die Gemeinde Waldsolms vor. Bilder gibt es hingegen von größeren Pfotenabdrücken in feuchter Erde, die ebenfalls digital verbreitet werden. Ob es sich tatsächlich um Fährten von Wölfen handelt, lässt sich bislang nicht verifizieren.

Doch ist die Sorge berechtigt, dass ein Wolf oder gar mehrere Wölfe in der Region um Hüttenberg, Schöffengrund und Waldsolms sesshaft geworden sind? Nach bundesweit geltenden Standards für das Monitoring gilt ein Wolf erst als sesshaft, wenn er über einen Zeitraum von sechs Monaten in einem Gebiet genetisch nachgewiesen wurde. Das ist in der Region bislang nicht der Fall. Die Genotypisierung der DNA-Probe aus Waldsolms steht zudem noch aus. Sie kann, wenn erfolgreich, Aufschluss darüber geben, ob der Wolf, der die neun Schafe tötete, bereits anderweitig oder an anderen Orten in Erscheinung getreten ist.

Was ergibt sich daraus nun für Weidetierhalter, Spaziergänger und Wanderer oder gegebenenfalls auch für Waldkindergärten? Müssen Menschen in der Region sich darauf einstellen, einem Wolf zu begegnen? Der Hüttenberger Weidetierhalter Karsten Watz hatte zu Beginn des Jahres zudem vor der möglichen Gefahr für die Kinder, die eine Wald-Kita besuchen, gewarnt. Er fürchtet, dass die Kinder vom Wolf angegriffen werden könnten.

»Die dauerhafte oder vorübergehende Anwesenheit von Wölfen in einer Region, macht keine veränderte Art der Freizeitgestaltung erforderlich. Auch für den Betrieb von Waldkindergärten ergeben sich keine Einschränkungen«, teilt das WHZ mit. Einschränkungen wird es in den Kommunen derzeit auch keine geben. Das Thema Wolf hat man in den Rathäusern aber durchaus auf dem Schirm. Michael Peller (parteilos), Bürgermeister von Schöffengrund, erklärt mit Blick auf die Wolfssichtungen, es gebe aktuell keine validen Grundlagen. Die Sorgen der Menschen wolle er nicht bagatellisieren, er rate aber von blindem Aktionismus ab. Er halte es daher für sinnvoll, zu sensibilisieren und werde anregen, dass es ein Gespräch oder eine Schulung für Kita-Mitarbeiter, die in den Waldgruppen arbeiten, gebe. Auch in der Sitzung der Schöffengrunder Gemeindevertreter war der Wolf am Donnerstag ein Thema. Die FWG regte einen Info-Abend für alle Bürger an, mit Fachexperten und Weidetierhaltern als Gästen, »damit sich alle ein Bild machen können«. Hüttenbergs Bürgermeister Christof Heller (parteilos) überlegt ebenfalls, ob und wie eine Information oder Schulung für Kita-Angestellte organisiert werden kann.

Was die Weidetierhalter angeht, denen rät das WZH, standardgemäß Zäune aufzustellen, die rundum geschlossen und stromführend sind. Doch viele sagen, das reicht nicht aus. So auch Bernhard Proft. Der Weidetierhalter aus Schöffengrund besitzt eine kleine Schafherde, die nach Bio-Standards gehalten wird. Vor mehreren Wochen wurde eines der Tiere gerissen. Eine Genanalyse brachte keinen Befund, aktuell wird eine zweite Probe ausgewertet.

Herde verstört

Proft sagt: »Meine Netze sind mit Strom gesichert. Trotzdem kam der Wolf ins Gatter.« Seit dem Vorfall sei die Herde komplett verstört, lasse sich nicht mehr anlocken. Ein weiteres Problem: Bringt auch die zweite Probe keinen Befund, wird Proft vom Land keinen Schadensausgleich für das getötete Tier erhalten. Er müsse sich vor diesem Hintergrund dann überlegen, ob er die Schafzucht langfristig weiter-betreibt.

Zunächst wolle er noch einen Versuch mit höheren Netzen wagen, statt 1,20 Meter nun 1,60 Meter, erklärt der Schöffengrunder, der sich sicher ist, dass sich aktuell zumindest ein Wolf auf dem Gebiet der Gemeinde bewegt. Was er allerdings bezweifelt, sind die vielen Sichtungen, die es in der Kommune gab. »Ob die alle stimmen, das halte ich für fraglich.« Allerdings bleibe nach dem Vorfall ein ungutes Gefühl. Ganz zu schweigen von dem Leid seiner Schafe. »Da spricht keiner drüber, was das mit den Tieren macht.«



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