12. März 2023, 13:00 Uhr

Marburg

Oberbürgermeister verhandelt mit Aktivisten

Marburgs Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies hat als erster hessischer Oberbürgermeister in Gesprächen mit den Aktivisten der »Letzten Generation« eine Einigung erreicht.
12. März 2023, 13:00 Uhr
Die Stadt Marburg hält an ihren Klimazielen bis 2030 fest. Mit diesen Argumenten hat das Stadtoberhaupt mit den Klimaaktivisten wohl eine Art »Klebefrieden« herbeigeführt. Die Opposition kritisiert das Vorgehen von OB Spies. Foto: Reichel

»Ich freue mich, dass es gelungen ist, im konstruktiven Gespräch Lösungen zu finden. Unser Handeln und unsere Haltung in Marburg hat offensichtlich überzeugt«, begrüßt Spies die Zusage der »Letzten Generation«, künftig auf das Festkleben auf Marburger Straßen zu verzichten.

Spies teilte mit, dass er für die Stadt ein Schreiben an die Bundesregierung sowie die demokratischen Fraktionen im Deutschen Bundestag verfasst hat, in dem er inhaltliche Forderungen der »Letzten Generation« unterstützt. Ähnlich hatten bereits die Oberbürgermeister von Hannover und Tübingen reagiert.

Gefährdende Aktionen falsch

Spies sagte, es sei natürlich nicht erlaubt, sich auf die Straße zu kleben. Deshalb war Marburg frühzeitig vorbereitet. Bis die Proteste ausgesetzt wurden, waren nahezu täglich entsprechende Aktivitäten festzustellen. In zwei Fällen mussten Aktivisten von der Straße gelöst werden. Zweimal konnte ein Festkleben frühzeitig verhindert werden. Die Regeln des Rechtsstaats würden selbstverständlich auch in Marburg gelten.

»Aber in der Sache entsprechen die Forderungen der ›Letzten Generation‹ den Beschlüssen der Stadt Marburg, und ich teile diese Forderungen auch persönlich«, so Spies.

Zu den drei konkreten Forderungen sagte Spies: »Mit Bürgerräten aus zufällig ausgewählten Bürgern hat unsere Bürgerbeteiligung sehr gute Erfahrungen gemacht. Seit vielen Jahren wollen wir Tempo 80 auf der Marburger Stadtautobahn. Und ein bundesweites 9-Euro-Ticket kann den ÖPNV ein Stück weit verbessern und Städte, Gemeinden, Landkreise und Verkehrsverbünde erheblich entlasten. Diese Forderungen an den Bund unterstütze ich gerne«, so Spies.

Klimaneutral weiter das Ziel

Marburg hat sich vorgenommen, bis 2030 klimaneutral zu werden. Das sei kaum möglich, wenn Bund und Länder nicht deutlich aktiver würden, wie es auch bereits der breit getragene Marburger »Klima-Aktionsplan 2030« klargestellt hat. »Wir brauchen mehr Geschwindigkeit beim Klimaschutz. Energiewende, bezahlbarer klimaneutraler Wohnraum, Verkehrswende und die Anpassung der Städte an die Folgen des Klimawandels, wie Hitzeperioden und Hochwasser, stellen uns alle vor riesige Herausforderungen«, so Spies. Allerdings dürften die Kommunen nur einen sehr kleinen Teil selbst regeln. Den überwältigenden Teil der Regelungen haben sich Bund und Länder vorbehalten. Die Kommunen bräuchten mehr Unterstützung, damit sie ihren Teil leisten können. Das sei auch eine zentrale soziale Frage: Gerade Menschen mit weniger Geld liefen in Zukunft Gefahr, besonders unter den Folgen des Klimawandels zu leiden.

Spies hofft nun, dass weitere Kommunen dem Marburger Beispiel folgen. Er werde deshalb sein Schreiben über den Hessischen Städtetag anderen Kommunen zur Verfügung stellen. »Nur gemeinsam werden wir etwas erreichen«, so Spies.

Kritik aus der Opposition

Zustimmung erhält Spies zwar aus seiner Partei, aber gerade die Oppositions-Fraktionen im Stadtparlament (CDU/FDP/BfM) kritisieren, dass der Oberbürgermeister »eigenständig und ohne Beschluss der Stadtverordnetenversammlung Verhandlungen geführt« habe. Sie unterstellen Spies »Erpressbarkeit«. CDU-Landtagsabgeordneter Dirk Bamberger wird hierbei deutlich: »Der Oberbürgermeister spricht nicht für Marburg, wenn er rechtsstaatliche Prinzipien aufgibt. Es stellt sich die Frage, für welche politischen und gesellschaftlichen Ziele er gedenkt sich in Zukunft erpressbar machen zu wollen.«

Auch Hessens Justizminister Roman Poseck (CDU) kritisiert die drei Oberbürgermeister: »Das Vorgehen der ›Letzten Generation‹ hat die Grenze des Tolerierbaren überschritten. Straftaten dürfen in unserer Demokratie kein Mittel der Politik sein. Der Rechtsstaat ist zu klaren Antworten aufgerufen. Der Staat darf niemals erpressbar sein. Deshalb ist es fatal, wenn einzelne Oberbürgermeister Kompromisse mit der ›Letzten Generation‹ eingehen, um Straftaten in ihrer Stadt zu verhindern. Wenn politische Erpressung Schule macht, wird unsere Demokratie erheblichen Schaden nehmen.«

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