Erntedank, Kürbisse und Sankt Martin: wenn Sommer verabschiedet wird und der nahende Winter grüßt, dann ist Herbst. Ein Kürbisfest hat den Bewohnerinnen und Bewohnern der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen diese bedeutende Jahreszeit nähergebracht. Rund 120 Kinder und Jugendliche haben daran teilgenommen, Kürbisse geschnitzt, erst auf dem Gelände verteilt und dann mit auf das eigene Zimmer genommen. Dazu gab es frische Waffeln, warme Getränke und als Höhepunkt ein Benefizkonzert von Liedermacher Fredrik Vahle.
Integration beginnt mit Kennenlernen
Vor den zwei L-förmigen Gebäuden spielten Kinder auf dem weitläufigen Areal, an allen sich anbietenden Stellen wachten Gruselkürbisse über den Hof. Eltern standen am Rand, schauten zu und redeten miteinander - ein klassisches Herbstfest eben.
»Integration beginnt schon da, die bei uns verbreiteten Rituale kennenzulernen«, sagte Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich, während er von einer Kindergruppe umgeben war. Dessen Regierungspräsidium Gießen ist für die Erstaufnahme von geflüchteten Menschen hessenweit zuständig. Insgesamt gibt es sechs Standorte. Der größte befindet sich an der Rödgener Straße in Gießen, in dem derzeit 2.721 Flüchtlinge leben.
Federführend geplant und umgesetzt hat das Kürbisfest die Präsidiumsbeschäftigte Christin Javidi Hagh. »Ein solches Fest hat bei uns Tradition, das gab es sogar schon in der inzwischen längst geschlossenen Einrichtung am Meisenbornweg«, berichtet sie. Wegen der Pandemie musste es im Vorjahr jedoch ausfallen.
Vor dem diesjährigen Fest wurde ordentlich getestet. »Danach konnten dann alle ihren eigenen Kürbis schnitzen.« An der Organisation des Kürbisfests beteiligt waren rund 20 Helferinnen und Helfer, von Beschäftigten der Einrichtung sowie des Betreuungsdienstleisters European Homecare bis zu Ehrenamtlichen der Petrusgemeinde oder Lehrkräften der Schule und FSJ-Kräften.
»Anne Kaffeekanne« und Co.
Kurz vor Mittag begann der Ehrengast sein Konzert mit Gitarre und Ukulele. »Da ist so eine spontane Direktbegeisterung bei den Kindern«, sagte Liedermacher Fredrik Vahle nach dem ersten Auftritt. Weil die allermeisten Kinder seine Texte mit feinem Sprachsinn nicht verstanden, dafür aber beim Refrain begeistert mittanzten, stellte er spontan seine Planung um. Mit einem Echolied motivierte er sein junges Publikum zum Nachsingen oder nahm nur wenige Meter vor den Jungen und Mädchen einzeln Blickkontakt auf und erwies sich dabei als Profi mit jahrzehntelanger Erfahrung. Eine Zugabe hatte er mit dem Klassiker »Anne Kaffeekanne« auch noch parat.
Die Organisatoren waren zufrieden, denn rund die Hälfte aller Kinder, die in der Gießener Erstaufnahmeeinrichtung leben, hatten sich für das Kürbisfest im Vorfeld angemeldet. »Für uns ist es auch schön zu sehen, dass wir wieder mehr Alltag und auch einmal so etwas wie dieses Kürbisfest in der Einrichtung anbieten können«, sagt Abteilungsleiter Manfred Becker. »Gerade für die Kinder sind das wichtige Momente in einer nicht einfachen Zeit für sie.«
