29. Oktober 2021, 13:00 Uhr

Marburg

Fast 100 Jahre in einem Buch

Auf Hochzeiten, Geburtstagen oder bei Ausstellungen sind sie zu finden: Gästebücher. Auch die Stadt Marburg lädt ihre Besucher gerne ein, sich ins Goldene Buch einzutragen.
29. Oktober 2021, 13:00 Uhr
Sandra Baumgarten (Leiterin des Stadtarchivs) präsentiert mit Stina Dörr (l.) und Nadine Englert (r.) die historischen Bände des Goldenen Buches der Stadt Marburg, die im Stadtarchiv eingesehen werden können. Foto: Stefanie Ingwersen/Stadt Marburg

Doch was hat es mit diesem Buch auf sich und wer trägt sich dort eigentlich ein? »Mit dem Goldenen Buch dokumentieren wir seit 1927, welche Persönlichkeiten die Stadt besuchen und wer sich auch um diese verdient gemacht hat«, sagt Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. Erster seitenlanger Eintrag ist die Eröffnungsveranstaltung der 400-Jahr-Feier der Philipps-Universität im Jahr 1927, bei der sich alle Anwesenden in dem Buch verewigten.

Gästebücher als Trend

Doch wie kam es überhaupt dazu, dass die Stadt ein Gästebuch einführte? »Das war damals ein allgemeiner Trend«, erklärt Sandra Baumgarten, Leiterin des Stadtarchivs. Das Jubiläum der Uni habe sich wohl für die Einführung angeboten. Seinen Namen »Goldenes Buch« bekam es ab dem zweiten Band 1963. Die Bezeichnung leite sich oft von den goldenen Verzierungen und dem Goldschnitt der Seiten ab - etwas, was die Goldenen Bücher der Stadt Marburg allerdings gar nicht haben.

Wer unterschreibt wo?

Ob golden oder nicht: Die Gäste unterzeichnen ihren Eintrag in der Regel im Rathaus. Zu besonderen Anlässen kann dies auch woanders erfolgen. So wurde der Dalai Lama 2009 auf dem Landgrafenschloss empfangen, wo er sich in das Goldene Buch eintrug.

Die Gäste entscheiden selbst, ob sie ihre Seite im Buch lediglich unterschreiben oder auch persönliche Worte hinzufügen. Willi Abel und Manfred Ritter, zwei ehemalige Mitarbeiter des Bauamts, gestalteten lange Zeit die Begleittexte zu den Unterschriften per Hand. Heute werden die Texte am Computer getippt.

Erster Band endet in NS-Zeit

Aktuell besteht das Goldene Buch der Stadt aus vier Bänden. Der erste Band beginnt 1927, der letzte Eintrag darin ist von 1944. Demnach enthält der erste Band auch Unterschriften aus der Zeit des Nationalsozialismus, zum Beispiel von Hermann Göring. »Das Gästebuch ist Zeitzeugnis und Stadtdokument, das immer in seinem historischen Kontext zu betrachten ist«, erklärt Dr. Thomas Spies.

Erst 1963 ging es weiter mit Band zwei, der bis 1996 gefüllt wurde - darunter auch 1970 Bundesinnenminister Hans Dietrich Genscher.

1972 steht der Gruß einer Delegation aus Poitiers, der französischen Partnerstadt Marburgs. Damals war sie zum zwölften Hessentag und dem 750-jährigen Jubiläum der Stadt in Marburg. 1994 stattete Bundeskanzler Helmut Kohl Marburg einen Besuch ab und auch er unterzeichnete im Goldenen Buch.

Band drei ist schneller voll

Im dritten Band gibt es viele bekannte Unterschriften von 1996 bis 2015 zu entdecken, darunter Schriftsteller Walter Kempowski oder Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. Den finalen Eintrag im dritten Band erhielt übrigens kein Gast von außen, sondern ein ehemaliger Gastgeber: Egon Vaupel, Ex-Oberbürgermeister Marburgs, trug sich im November 2015 anlässlich seiner Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Marburg ein.

Band vier ist gar kein Buch mehr

Das aktuelle Goldene Buch der Stadt ist immer noch nicht golden - und nicht mal mehr ein Buch: Gäste tragen sich auf jeweils einem einzelnen Blatt ein. Erst wenn genügend Einträge zusammengekommen sind, werden die Seiten zu einem weiteren Band gebunden. Stöbern in den Marburger Gästebüchern ist übrigens möglich. Dies funktioniert über das Archivinformationssystem Hessen unter www.arcinsys.hessen.de.

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