Vom einstigen kleinen Projekt - in der Presse damals als »Sperrmüll«-Kaufhaus tituliert - entwickelte sich die gemeinnützige Institution zu einer Beschäftigungs- und Bildungsgesellschaft, die im Jahr 1.500 Menschen aus der Stadt Marburg und dem Landkreis erreicht. Drei Jahrzehnte Beschäftigung, Qualifizierung, Ausbildung, Beratung und Vermittlung arbeitsloser Menschen ließ Geschäftsführerin Gerlind Jäckle zu Beginn Revue passieren. Zahlreiche Akteure aus den Kommunen, der Sozialbranche und der Wirtschaft waren der Einladung zum »Fest unter Freunden« gefolgt. Mit Rainer Dolle, Geschäftsführer des Hauptgesellschafters »Arbeit und Bildung«, gab Jäckle einen Rückblick in die Geschichte der Praxis GmbH - vom ersten Standort an der Umgehungsstraße in Cappel, über den Folgestandort in der Marburger Siemensstraße mit Abteilungen in Biedenkopf und Stadtallendorf, bis hin zum heutigen Hauptsitz in der Gisselberger Straße.
Erfolgreiche Projekte
Ein besonderes Augenmerk lag auf wegweisenden Projekten wie dem Elektro-Secondhand-Kaufhaus relectro, das 1998 als integratives Beschäftigungsprojekt für schwerbehinderte Menschen ins Leben gerufen und als Modellprojekt vom BMAS gefördert wurde: Es bietet bis heute auch schwerbehinderten Menschen Beschäftigung in einem geschützten Rahmen auf dem zweiten Arbeitsmarkt und schließt die Lücke zwischen den klassischen Werkstätten für behinderte Menschen und dem ersten Arbeitsmarkt.
Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies beschrieb als Vertreter der Stadt Marburg, die zweitgrößte Gesellschafterin ist, dass sich die Praxis GmbH von einer verrückten Idee zu einem mittlerweile traditionsreichen Social Entrepreneur weiterentwickelt habe: »Aus der Marburger Anbieterlandschaft sozialer Infrastruktur ist sie nicht mehr wegzudenken.«
Stadtallendorfs Bürgermeister Christian Somogyi betonte die von Beginn an funktionierende enge Zusammenarbeit mit der Praxis GmbH. Weitere Grußworte, stellvertretend für die Auftraggeber und Kooperationspartner der Praxis GmbH, folgten von Marian Zachow (Erster Kreisbeigeordneter Landkreis Marburg-Biedenkopf), Volker Breustedt (Agentur für Arbeit Marburg), Dörte Ahrens (Hessisches Ministerium für Soziales und Integration) und Clemens Mellentin (Landesarbeitsgemeinschaft Arbeit in Hessen).
Bedingungsloses Grundeinkommen erörtert
Als Festredner sprach Professor Christoph Butterwegge. Der Sozialforscher lehrte bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität Köln und befasste sich mit aktuell diskutierten Sozialmodellen. Sein Vortrag »Abschied von Hartz IV? - Die Zukunft des Sozialstaates« bot interessante Thesen zur Diskussion um die Abschaffung von Hartz IV und der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE).
Als Alternative zum BGE sieht Butterwegge eine Weiterentwicklung des bestehenden Sicherungssystems zu einer solidarischen Bürgerversicherung an. Diese könne den Kern eines inklusiven Sozialstaates bilden, statt diesen zu zerschlagen. Musikalisch begleitet wurde die Feier vom Marburger Jazz-Duo Kunz(t) Schiller(t).