08. Mai 2025, 17:18 Uhr

Forschung

Wo bei Marburg Mädesüß und Flatterbinsen wachsen

Ein Forschungsprojekt befasst sich mit der Renaturierung von Bächen in Marburg.
08. Mai 2025, 17:18 Uhr
GC
Doktorandin Lena Lerbs hat die Malaisefallen aufgebaut - wie hier am renaturierten Marburger Bauerbach. Foto: Coordes

. Auf den ersten Blick sieht die Falle aus wie ein schwarzes Zelt. Unter den Schwarzerlen am Ufer des Bauerbachs bei Marburg verbirgt sich eine sogenannte Malaisefalle. Doktorandin Lena Lerbs hat die Konstruktion selbst gebaut, mit der Insekten gefangen werden. In der Fangflasche an der Spitze des schwarzen »Zelts« sammeln sich Wespen, Zikaden, Fliegen, Wanzen, Käfer, Bienen und anderes Kleingetier. Alle zwei Wochen tauscht sie das Gefäß, das damit etwa so viel wegfängt wie eine Blaumeise frisst.

Fallen auch im Kreis Gießen

Im vergangenen Jahr standen die Fallen an 84 Stellen in Mittelhessen. Besonders viele der schwarzen »Zelte« wurden zwischen Amöneburg und Ebsdorf sowie im Ohmbecken aufgebaut, aber auch im Kreis Gießen, wo 24 Fallen standen. Sie sind Teil eines groß angelegten Forschungsprojekts des Marburger Uni-Fachgebiets Naturschutz, das vom Lore-Steubing-Institut des Landes Hessen gefördert wird.

Darin geht es um die Frage, wie sich Renaturierungsprojekte an kleinen Bächen auf Pflanzen, Vögel und Insekten auswirken. Bei größeren Gewässern und Flüssen wie Elbe, Rhein und Lahn ist das gut untersucht, berichtet Prof. Anna Lampei Bucharova, die das Projekt gemeinsam mit Prof. Nina Farwig und Dr. Stefan Pinkert leitet. Bei Bächen und Gräben wisse man aber bislang kaum, wie wirksam die Renaturierungsprojekte sind.

Dabei wurden allein zwischen 1998 und 2022 in den Landkreisen Marburg-Biedenkopf und Gießen rund 80 kleine Fließgewässer renaturiert. Meist handelte es sich um sogenannte Ausgleichsmaßnahmen für Kläranlagen, Bauprojekte oder Straßen. Dabei wurden etwa aus begradigten, schnurgeraden Gräben mäandernde Bäche. Zum Teil wurden Weiden an den Ufern gepflanzt. Nötig ist die Pflanzung nicht, sagt Stefan Pinkert: »Ohne das Management des Menschen kommen noch natürlichere Strukturen und noch mehr Arten.« Besonders zahlreich sind diese nur wenige 100 Meter langen Renaturierungen im Ohmbecken sowie im Ebsdorfer Grund und im Amöneburger Becken.

Glücklicherweise waren die meisten befragten Landwirte damit einverstanden, dass die Malaisefallen auf ihrem Grund aufgebaut wurden - jeweils eine am Gewässer, eine weitere auf einer nahegelegenen, nicht renaturierten Vergleichsfläche. Dazu gehörten auch insgesamt 450 vier mal vier Meter große Untersuchungsflächen für Pflanzen. Über viele Wochen war Lena Lerbs gemeinsam mit einer Kommilitonin täglich unterwegs, um die Flora zu kartieren.

Das erste Ergebnis: In der Nähe der renaturierten Bäche ist die Artenvielfalt deutlich gestiegen - es fanden sich etwa ein Drittel mehr Arten. Bis auch die feuchtigkeitsliebenden, seltenen Arten hochkommen, dauert es allerdings Jahre. Bei den Bächen, die schon seit mehr als 15 Jahren wieder einen natürlichen Lauf haben, wurden jedoch vermehrt Arten wie Schlangenknöterich, Sumpf-Labkraut, Blutweiderich und Flatterbinsen entdeckt.

Empfehlungen für Maßnahmen

Auch aus dem vor 18 Jahren renaturierten Abschnitt des Bauerbachs ist im Laufe der Jahre ein sogenanntes Weichholz-Auwäldchen geworden. Das Wasser windet sich in vielen Kurven und Seitenarmen durch ein von Schwarzerlen, Weiden und Birken umstandenes Gebiet. Dort finden sich Allerweltsarten wie Giersch, Brennnesseln und Brombeeren, aber auch Lungenkraut, Flatterbinsen und Mädesüß. Äste und Stämme sind in den Bach gefallen. Damit bieten sie auch Vögeln und Insekten mehr Lebensraum.

Bei der Vogelkartierung wurden Brutgebiete von Mönchsgrasmücken, Goldammern, Nachtigallen, Feldschwirl, Teich- und Sumpfrohrsängern, Rohrammern und sogar Schwarz- und Blaukehlchen entdeckt. Es ist aber noch zu früh, Aussagen über die Auswirkungen auf Vögel zu machen. Diese Frage wird derzeit in den Abschlussarbeiten von drei Studierenden untersucht.

In den Kühlräumen der Biologen stapeln sich unterdessen 1200 Fanggläser mit in Alkohol eingelegten Insekten. Gewogen wurden sie bereits. Derzeit werden die Insekten von mehreren Studierenden sortiert - je nachdem, ob es sich um Käfer, Zikaden, Wanzen, Schmetterlinge, Libellen oder Hautflügler handelt. Das wird voraussichtlich noch bis zum Sommer dauern. Dann beginnt die genauere Untersuchung. Ein Teil der Insekten wird auch mit dem sogenannten DNA-Metabarcoding analysiert, ein innovatives molekularbiologisches Verfahren, mit dem sich die Artenvielfalt bestimmen lässt.

Mit dem Projekt, das noch bis Mitte 2027 dauert, sollen in Zukunft auch Empfehlungen für geeignete Renaturierungen ausgesprochen werden. Was man bereits jetzt schon sagen kann: Besonders gut ist eine Sohleanhebung, also möglichst flache Bäche und Gräben, die sich ausbreiten können, berichtet Prof. Bucharova. Auch sogenannte Störsteine und Totholz im Bachbett helfen der Natur.



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