13. Mai 2025, 18:39 Uhr

Glaube und Bier

Pastor Michael Schwantge spricht in Gießen über Braukunst

Kurzweiliger und abwechslungsreicher Abend in der Alpha-Buchhandlung in Gießen.
13. Mai 2025, 18:39 Uhr
RD
Auch in Gießen unterwegs in Sachen Gott und Bier: Michael Schwantge. Foto: Dittrich

. »Bier ist mitten im Leben, wie der Glaube, wie Gott, der uns überall begegnet.« Sagt Michael Schwantge zu Beginn. Ozapft is. Könnte man sagen.

Manchmal wird man neugierig, wenn es so scheint, als würde was nicht ganz zusammenpassen. Aber vielleicht - stellt man dann fest - ist das ja nur eine Sache, die in einem selbst begründet liegt, weil man ein Vorurteil hat oder Dinge nicht zusammendenkt, die überhaupt nicht weit auseinander liegen. So wie ein Pastor und eine Bierverkostung. Da sollte man offen sein, wenn auch nicht zu überschäumend, wie ein zu schnell eingeschenktes Weißbier.

Kurz und gut: Dass ein Pastor in der Gießener Alpha-Buchhandlung, früher mitten im Gießener Zentrum gelegen, mittlerweile etwas peripher im Industriegebiet Gießen West, ein Bier-Tasting anbietet, wäre doch eine schöne Geschichte für die Zeitung, denkt man, als man den Hinweis erhält. Schön, weil interessant, interessant, weil originell, originell, weil vermeintlich etwas abseitig.

Und so sitzt man an einem Freitagabend in einem geschmackvoll dekorierten und mit einem leckeren Buffet bestückten Raum der Alpha-Buchhandlung, sozusagen mittendrin statt nur dabei, in der vom Gießener »Männerstammtisch der C1-Kirche« (früher evangelische Stadtmission) organisierten Bierverkostung des Pastors, Hobbybrauers und ausgebildeten Biersommeliers Michael Schwantge, der seines Zeichens in der Evangelischen Stadtmission Oppenheim tätig ist. Genau dort in der Pfalz, wo man eigentlich nur Wein vermutet. Das ist aber nicht so.

So ist man an diesem Abend ein Gast unter 26 Männern (und einigen Frauen), die Schwantge vom Glauben und Gott allem Anschein nach nicht mehr überzeugen muss, aber durchaus davon, dass Bier nicht gleich Bier ist, sondern Geruch, Konsistenz, Geschmack, so wie es ins Glas fließt, für ganz viele Entdeckungen gut.

Der sympathische 41-Jährige macht es seinem Publikum leicht, sich auf die Verkostung einzulassen, hat fünf Sorten Bier zu dem von Helmut Köther organisierten Event mitgebracht. Helles, Dunkles, Weizen, Wit (aus Holland/Belgien) und Bockbier -- in speziellen Verkostungsgläsern, mit einem Happen zwischendurch und gedanklichen (Glaubens)-Häppchen nebenher, wird es getestet. Es ist kurzweilig und unterhaltsam, eingängig und überzeugend - und man lernt ordentlich dazu, auch, warum einem was vielleicht nicht so schmeckt - und warum ein Bier (für einen gestandenen Sommelier) nichts anderes ist als ein Wein, denn auch hier gibt’s eine reiche Vielfalt an Aromen zu entdecken. So viele, wie man vorher gar nicht vermutet hätte. Angereichert wird die Bier-Geschmacksprobe von (kleinen) Geschichten aus dem Leben, denen der Pastor, das liegt in der Natur der Sache und des Abends, die ein oder andere Botschaft mitgibt. Die sich durchaus einprägen, mit frisch gezapften Sätzen wie »Gottes Reinheitsgebot ist die Vergebung« und, besonders schön und eine Überschrift wert: »Unser Leben ist naturtrüb«.

Und damit niemand glauben kann (was heißt das denn im Zusammenhang mit Glaubensfragen?), dass so ein Biertasting keine Arbeit ist, hier das Interview mit Michael Schwantge, das vor dem ersten Schluck geführt wurde.

Herr Schwantge, was ist zuerst da: der Durst oder der Glaube?

Beides sind Grundelemente, die der Mensch im Herzen trägt. Jedes kleine Kind hat ja schon Durst. Und so zieht sich das durchs Leben. In unseren Breitengraden stellt sich allerdings die Frage, ob wir überhaupt richtigen Durst kennen. Wenn wir in andere Länder schauen, da ist das schon noch was anderes. Und ansonsten denke ich, dass jeder Mensch auch an irgendetwas glaubt. Das steckt im Menschen drin. Die klassischen Fragen, wo komme ich her, warum bin ich auf der Welt. Wie man das beantwortet, liegt bei jedem selbst, ist höchst unterschiedlich, hat aber auch immer mit Glauben zu tun. Selbst der Agnostiker oder Atheist trifft ja eine Glaubensaussage.

Warum Bier, wenn’s Messwein gibt?

(lachend): Ich bin evangelisch, da habe ich nicht so den Bezug zum Messwein. Aber bei mir war es schon immer das Bier, das mich fasziniert hat. Wein trinke ich schon auch mal gerne, aber das ist eher was für besondere Anlässe. Und es war auch nie so, dass ich dann nur Pils trinke, oder eine Bier-Sorte, da habe ich, schon bevor ich selbst das Brauen entdeckt habe, gerne die unterschiedlichen Geschmacksnuancen probiert.

Wäre es Ihnen lieber gewesen, wenn Jesus Wasser in Bier, nicht in Wein verwandelt hätte?

Lieber weiß ich nicht, das wäre in seiner Kultur seltsam gewesen. In Bayern wäre das vielleicht was anderes, aber ich würde mich darauf einlassen.

Mönche waren ja schon immer für die Braukunst bekannt, wo besteht denn da die Verbindung zwischen dem geistigen Getränk und dem Glauben?

Ich glaube, bei den Mönchen war das durch die historische Situation bedingt, weil sie ja immer wieder Gäste und Pilger aufgenommen haben. Zudem war es klimatisch nicht immer möglich, Wein zu produzieren, und es war teurer. Trinkwasser kannte man ja nicht so wie heute, so bekamen sie die Erlaubnis, Bier zu brauen. Da wurde in den Klöstern, die ja auch Orte der Wissenschaft waren, unheimlich viel vorangetrieben.

Hat Brauen für Sie persönlich auch etwas Kontemplatives?

Ja, gerade in der Zeit, wo ich die Maische noch von Hand gerührt habe. Dann steht man schon mal eineinhalb Stunden am Brautopf und kann da nicht weg. Da hat man durchaus die Zeit nachzudenken, nachzuhören und im Gespräch mit Gott zu sein.

Bier hat ja auch den Ruf, oft in Massen, nicht in Maßen getrunken zu werden. Wo hört der Genuss auf, wo fängt der Rausch an?

Ich glaube, das ist schwierig, an dieser Stelle eine Grenze zu ziehen. Für mich hat genießen damit zu tun, dass ich bewusst wahrnehme, was ich da schmecke, was ich sehe, was ich rieche. Wenn ich es nicht mehr wahrnehme, sondern nur noch in mich reinnehme, dann verliere ich das. Und das finde ich schade. Es geht, wenn ich als Sommelier spreche, nicht um haltlosen Konsum, sondern die Schönheit des Bieres. Es heißt ja auch, die Sommeliers sind die Galeristen der Biere.

Welches Bier würden Sie denn ganz persönlich bevorzugen, wenn Sie 20 Sorten zur Auswahl hätten?

Tatsächlich kommt es da auf viele Faktoren an, Jahreszeit, Wetter, Stimmung. Aber wenn ich es einfach so mal ins Blaue sagen sollte, würde ich sagen: das Bockbier. Im Sommer, wenn ein schöner Tag war, hat ein Helles oder ein schönes Pale Ale was besonderes, im Winter ist es vielleicht ein Porter oder ein Stout. Aber wenn’s so grundsätzlich eine Entscheidung gäbe, wäre es immer das Bockbier

...dunkel, stark, geschmacksstark...

Ja, schon, aber es gibt auch helle Böcke. So eins habe ich auch mit.

Ist die Vermittlung des Glaubens oder der Braukunst an so einem Abend wie heute entscheidend?

Ich habe ja zum Glück auch zwei Herzklappen. Aber mein Grundanliegen ist schon, dass ich Menschen vom Glauben etwas weitergeben möchte. Das ist die Grundlage meines Lebens. Ohne Bier könnte ich leben, ohne Gott nicht. Aber als Sommelier und Hobbierist ist es mir schon auch ein Anliegen, den Menschen zu vermitteln, dass es beim Bier nicht einfach nur ums weghauen geht oder es ein Billiggetränk ist, sondern eine Jahrtausende alte Handwerkskunst. Und da gibt es eine so unglaubliche Vielfalt zu entdecken, das finde ich einfach schön. Leben zu genießen ist auch ein Teil des Glaubens. Wieviel Vielfalt mit Wasser, Malz, Hefe und Hopfen möglich ist, das ist doch faszinierend.

Und welches Bier wird dann im Himmel gebraut?

Das Beste.



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