. Für die Kleiderordnung hat Prinz Bernhard I. eine klare Botschaft an seine närrischen Untertanen: Den schicken Zwirn mögen die nämlich bitte bis zum Aschermittwoch am besten zu Hause lassen. »Bunte Kostüme sollen es sein, die dieser Kampagne ihr Gesicht verleihn«, betont der künftige Regent in seiner Proklamationsrede. Vor 466 Besucherinnen und Besuchern in der zum Thronsaal verwandelten Kongress-Narrhalla hatte er zuvor mit Ihrer Lieblichkeit Prinzessin Katharina I. die Insignien der Macht samt Zepter und Schatzkiste von Prinz Markus I. und Prinzessin Katja I. übernommen. Neben der Inthronisation stand zudem das Artilleriecorps, kurz Ari genannt, im Mittelpunkt. Denn die Schutztruppe des Prinzen feiert ihr 6x11-jähriges Bestehen, weshalb das Motto der Gießener Fassenachts-Vereinigung (GFV) diesmal »66 Jahre Schutz und Tanz. Die Ari strahlt im Jubiläumsglanz« lautet. Ein historisches Foto der Gruppe zierte denn auch den Bühnenhintergrund. Durch das 233-minütige Programm führten GFV-Präsidentin Anja Helmchen, ihr Vize Ulrich Mohr und Sitzungspräsident Günter Helmchen.
»Der größte und schönste Stadtteil«
Mit flotten Klängen und einer Premiere eröffneten die zwölf Musiker der »Brasiletten«, einem Ableger des Musikcorps der Freiwilligen Feuerwehr Großen-Linden, die Show. Die lieblich anzusehenden Kadetten (Leitung: Svenja Koch und Dana Koch) zeigten danach »Abenteuer findest Du bei uns im Dschungel«, ehe der Einzug und die Proklamation des Prinzenpaares folgten. Prinz Bernhard I. und Prinzessin Katharina I. stehen dabei Hofdame Martina, Adjutant Vincent und Feldmarschall Frank zur Seite.
Dem närrischen Volk versicherte der Prinz, »Feuer und Flamme« für die Kampagne zu sein. Die Liebe zu seiner Wiesecker Heimat bekundete er mit dem Hinweis, dass es sich hier um den »größten und schönsten Gießener Stadtteil« handele, in dem man »schwätzt, wie uns der Schnabel steht, auch wenn uns manch Schlammbeiser net versteht«. Auf seinen Beruf im zivilen Leben als Installateur und Heizungsbaumeister eingehend, betont Bernhard I.: »Für Wärme, Kälte und das Nass ist auf mich immer Verlass. Ob Heizung oder Klimaanlage - doch lieber Wärmepumpe? Ist hier die Frage. Am Ende wird doch das Badezimmer renoviert, weil das mit dem Heizungsgesetz ja eh keiner kapiert.« Damit leitete er sogleich zum politischen Teil seiner Ansprache über.
In Gießen liege einiges im Argen, »sodass es mich dreht in meinem Magen«. In der Innenstadt fahre man »noch immer kreuz und quer, ich hab das Theater langsam satt mit dem Verkehr. Ob mit dem Auto oder Rad, in Gießen zu fahren, ist wirklich hart«. Klare Ansagen machte er zum gescheiterten Verkehrsversuch, bei dem »fehlende Sorgfalt und Ignoranz zum Solotanz« geführt hätten. »Verewigt im schwarzen Buch der Steuerzahler, kostet das Gießen viele Millionen Taler. Jetzt ist Wieseck an der Macht, so hab ich es mir ausgedacht. Das Rathaus steht fortan in meiner Gasse, die Nachbarschaft findet es richtig klasse. Das Zepter liegt in meiner Hand, ich regiere nun das Gießener Land.« Fortan sollten Spaß und Freude überwiegen. Und: »Das Wichtigste in diesem Jahre, ist die Ari, der Schutz der Prinzenpaare. Zum 66. Mal stehen sie jetzt da und schützen nun auch uns ganz wunderbar.«
Stadtverordnetenvorsteher Joachim Grußdorf »als erster Bürger dieser Stadt« - »ein Titel, den sonst keiner hat« - hieß das neue Regentenpaar willkommen und wünschte »Frohsinn, Glück und Power - und jede Menge Ausdauer«. Mit Blick auf die Kommunalpolitik konstatierte er, man habe Alexander Wright beim Verkehrsversuch »freigesprochen« - »er hat ja wirklich auch nichts verbrochen«. Doch da sei noch der Akteneinsichtsausschuss. »Und wenn sie dann die Akten schließen, gehts aus wies Hornberger Schießen«, prophezeite Grußdorf. Und stellte abschließend unter Beifall klar: »Ich sags mit einem Satz: Für Extremismus ist hier kein Platz.«
Beim Zwiegespräch bleibt kein Auge trocken
Weiterhin wirbelte Funkenmariechen Leni Klinge vom NCC Nieder-Ohmen über die Bühne. Einen prächtigen Auftritt lieferten ebenfalls die 16 jungen Damen der von Sina Helmchen geleiteten Midi-Garde ab. Beim Zwiegespräch des Ex-Prinzenpaares Sebastian und Carina Römer über ihre »Traumreise« blieb kein Auge trocken. Das galt auch für die Büttenreden vom »Türmer der Stadt«, Peter Meilinger, sowie von Stefan Müller, der obendrein musikalisch das Programm gestaltete.
Der Senat mit Präsident Andreas Lenzer und Vize Gabriele Krombach sowie der Hohe Rat mit dem stellvertretenden Elferratssprecher Oliver Persch huldigten dem Regentenpaar. Persch überreichte zugleich ein zur Sammeldose umfunktioniertes Abflussrohr, in dem das Prinzenpaar bei seinen Terminen Geld für einen wohltätigen Zweck sammeln soll.
»Ihr macht uns stolz«, rief Günter Helmchen der Ari zu, nachdem diese den Kampagnetanz unter Kommandeurin Katharina Flechtner und den Trainerinnen Jessica Ruppel und Julia Schulz präsentiert hatte.
Nostalgisch wurde es nach dem Ordensaustausch mit den Abordnungen von gut zwei Dutzend befreundeter Vereine. Nicht nur im Foyer waren fast 100 Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus 66 Ari-Jahren zu sehen, sondern ein Filmbeitrag stimmte darüber hinaus auf den Auftritt einer mit zahlreichen ehemaligen Ari-Mitgliedern bestückten Nostalgie-Gruppe ein. Das reichte vom ursprünglich reinen Männer-Säbeltanz bis hin zum flotten Gardetanz. Zur Zeitreise der 30 Tänzerinnen und Tänzer gehörten auch Kostüme aus sechs Jahrzehnten. Angeführt wurde die Truppe von der Trainerin vor 60 Jahren, der heute 91-jährigen Ex-Prinzessin Marion Kristek.
Den Schlussteil bestritten der singende Koch Paul von de Soß aus Frankfurt, die Junioren-Tanzgarde (Leitung: Laura Keiner und Sina Roggenkamp), die »Paradiesvögel« von »InTakt« und die Formation des Tanz-Corps Etscheid. In dieser Disziplin waren die Gäste aus Rheinland-Pfalz bereits mehrfacher Deutscher und Europameister im Gardetanz.