. »Echte Wissicher sei mir gebliwe. Ahle Wissicher durch en durch. Ean deaß eaß wirklich net eawerdrewwe. Mir sei Wissicher durch ein durch«. So lautet ein Lied, das jetzt bei der Auftaktveranstaltung »1250 Jahre Wieseck« im Bürgerhaus erklang. Schöner kann ein Bekenntnis zu seinem Heimatort nicht sein.
Die Sängervereinigung Wieseck unter der Leitung von Armin Plewa-Moormann stimmte es an und alle Gäste im Saal griffen zu den Notenblättern und sangen mit oder versuchten zumindest mitzusingen, wenn sie des Dialekts nicht mächtig waren.
Der Vorsitzende der Vereinsgemeinschaft, Thomas Wagner als Ausrichter der 1250-Jahrfeier begrüßte die zahlreichen Ehrengäste. Er versicherte: »Auch zukünftig werden wir alles tun, um mit der Unterstützung der Vereine Wieseck lebenswert zu gestalten«.
Schirmherr Ministerpräsident a. D., Dr. h.c. Volker Bouffier gratulierte zum 1250. Geburtstag und der »tollen Festfolge, die die Vereinsgemeinschaft vorbereitet hat«. Historisch sei Gießen wegen des jüngeren Alters ein Vorort von Wieseck, meinte Bouffier und erntete dafür große Zustimmung durch Applaus aus dem Saal.
Engagierter Stadtteil
1250 Jahre Wieseck nannte er »ein Spiegelbild der Geschichte unserer Heimat, unseres Landes und Europas«. Er sprach die politischen Veränderungen auf der Welt an. Ihm sei in Wieseck besonders aufgefallen »die außerordentlich rege und vielfältige Vereinsgemeinschaft«. Das funktioniere aber nur, weil die Menschen mitmachen. Dank sagte er auch dem Ortsbeirat, der die Interessen der Wiesecker klar formuliere. Gelegentlich sei er auch streitbar, aber als verbindendes Element unverzichtbar.
Mit Blick auf die 1250 Jahrfeier stellte Bouffier fest: »Ohne den Ortsbeirat und die Vereinsgemeinschaft hätten wir heute Abend etwas anderes machen müssen«. Zudem wäre ohne die vielen Ehrenamtlichen Wieseck nicht das, was es heute ist. »Glück und Segen für Wieseck«, gab er den weiteren Feierlichkeiten mit auf den Weg. Der Schirmherr wünscht sich »viele fröhliche Wissicher, bei vielen Begegnungen, ein tolles Jubiläum, Zuversicht und Mut für die Zukunft. «
Beachtlich früh sei Wieseck erstmals schriftlich erwähnt worden, machte Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher klar: »422 Jahre früher als die Gießener Kernstadt«. Da dürfe man mit Recht sagen: »Wer Geschichte in Gießen sucht, kommt an Wieseck nicht vorbei«.
Er stellte allerdings auch fest, die Entwicklung zum heutigen Wieseck sei alle anderes als gradlinig oder konfliktfrei verlaufen. Neben dem Großbrand von 1646 zählte er die Zeit des Nationalismus auf. 1942 wurden die letzten Juden aus Wieseck deportiert. Zwölf Personen aus dem Ort wurden zwischen 1935 und 1937 wegen ihres politischen Engagements verurteilt. Die Eingemeindung nach Gießen 1939 sei von vielen Wieseckern nicht gewollt gewesen. In der NS-Diktatur wurde sie gegen den Willen weiter Teile der Einwohnerschaft durchgesetzt. Becher bezeichnete heute Wieseck dennoch nicht nur nahtlos mit der Kernstadt verbunden, »sondern Teil eines lebendigen Ganzen«.
Der Stadtteil sei immer auch ein Ort der Erneuerung, des Zusammenhalts und des Vorangehens gewesen, stellte der OB fest. Mit seiner wechselvollen Geschichte nannte er »Wissich« als einen Ort mit starker Identität, gewachsenem Selbstbewusstsein und großer Verbundenheit.
Der hessische Innenminister Roman Poseck kam nach Wieseck, um die Glückwünsche der Hessischen Landesregierung zu überbringen und die Freiherr-vom-Stein-Ehrenurkunde an den Oberbürgermeister zu überreichen. Die Freiherr-vom-Stein-Plakette hat die Stadt bereits vor einigen Jahren erhalten.
Wieseck titulierte Poseck als »traditionsbewusster, liebenswerter und lebenswerter Stadtteil der Universitätsstadt Gießen«. Für ihn sind Gießen und Wieseck untrennbar verbunden. Gießen sei nicht ohne Wieseck und Wieseck nicht ohne Gießen vorstellbar. Beide profitierten voneinander. Der Stadtteil Wieseck habe auch nach der Eingemeindung seine Identität bewahrt, betonte der Innenminister.
Mit launigen Worten schilderte Ortsvorsteher Michael Oswald seine Aufgabe als letzter Redner. Alles sei ja schon gesagt worden. Das was er an diesem Abend erlebe, mache »Wissich« aus, bekräftigte er. Alles sei so lebhaft, so bunt, in vielen Facetten. Ein Lob sprach er der Vereinsgemeinschaft für viel Zeit und Engagement bei den Vorbereitungen aus. Man sei dankbar, wenn das Wetter gut bleibe. Warum denn das? »Wir brauchen Sonne«, so Oswalds Antwort. Denn es wurde kein Zelt beschafft und die Veranstaltungen finden unter freiem Himmel statt. »Die Sonne muss scheinen«, wünschte er sich sehnlich. Vereine prägen den Stadtteil, darauf ist der Ortsvorsteher stolz. Er lud die Gäste zu den weiteren Veranstaltungen ein.
Die »Saandbeul«
Dr. Herbert Lepper vom Heimatverein Wieseck gab dann Einblicke in die Chronik zur 1250 Jahrfeier »Mei Wissich« , die zum Preis von 22,50 Euro zu kaufen ist. « Schlammbeiser Peter Meilinger aus Gießen gab Einblicke in das alte Gießen und erklärte, wie die Wiesecker zu ihrem Spitznamen »Saandbeul« kamen.
Musikalisch gestalteten auch die »Evergreens« unter der Leitung von Ulrich Dietz den Festabend mit. Live Musik von der Band P.A.C.E schloss sich an, es durfte auch getanzt werden
Weiter geht es am 25. Mai mit einer Wanderung durch Wieseck.