12. Februar 2021, 22:20 Uhr

Wurzeln im 16. Jahrhundert

Jan-Niklas Diehl aus Dorf-Güll wollte vor drei Jahren eigentlich nur mehr über die Urgroßeltern erfahren. Aus der einfachen Frage wurde ein umfangreiches Projekt. Mittlerweile hat er die Daten zu 1600 Vorfahren recherchiert, kennt auch Teile von deren Lebensgeschichte.
12. Februar 2021, 22:20 Uhr
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Von Patrick Dehnhardt
Jan-Niklas Diehl mit den Dokumenten des Stammbaums. Dessen Wurzeln reichen bis vor das Jahr 1600 zurück. FOTO: PM

Es begann alles mit einer recht einfachen Frage: »Ich wollte wissen, wer die Eltern meines Opas und meiner Oma sind«, erinnert sich Jan-Niklas Diehl. Drei Jahre sind seit- dem vergangen. Mittlerweile kennt der Dorf-Güller nicht nur deren Namen, sondern die von rund 1600 weiteren Vorfahren.

Als er seine Oma 2018 danach fragte, woher sein Opa stammte, konnte sie es ihm nicht beantworten - sie hatte es vergessen. »Der Sache wollte ich auf den Grund gehen«, sagt der 25-Jährige. So fing er an, nachzuforschen. Zunächst stöberte er im Ortsfamilienbuch von Dorf-Güll sowie der Chronik zur 1200-Jahr-Feier. Durch Zufall fand er eine »Sippschaftstafel«, die sein Opa 1939 für die Schule angefertigt hatte.

Schnell fand er heraus, dass ein Großteil seiner Ahnen aus einem Umkreis von rund 30 Kilometern um Dorf-Güll stammte. Er schickte Anfragen an die Stadtarchive in Hungen und Lich sowie den Kirchenkreis, recherchierte in der Nationalbibliothek. Eine große Hilfe waren die Ortsfamilienbücher, die es unter anderem in Villingen und Muschenheim gibt. Teils erforderte es richtige Detektivarbeit: »In einem Buch steht ein Name und ein Geburtsdatum, im anderen ein anderes Geburtsdatum«, schildert Diehl. »Handelt es sich um einen Übertragungsfehler oder ist es gar nicht dieselbe Person?« Manchmal haben sich auch die Schreibweisen der Namen geändert, wurde etwa aus der Ahnenlinie Mattern Matern.

Die Suche brauchte Geduld. Manchmal wartete Diehl Wochen, bis ein Archiv eine Anfrage beantwortete. Dafür konnte er Kopien von alten Schriftstücken sammeln, die Hinweise auf seine Vorfahren gaben.

Mit jeder Recherche wuchs der Stammbaum weiter. »Da muss man irgendwann aufpassen, dass es nicht zur Sucht wird.« Mittlerweile reicht er bis ins Jahr 1530 zurück, als einer seiner Ahnen in Braunfels geboren wurde. »Das liegt ungefähr 17 bis 20 Generationen zurück. So genau kann ich das nicht mehr sagen, weil ich mittlerweile einfach den Überblick verloren habe«, sagt Diehl.

Es ist ein Bereich, in dem es irgendwann unübersichtlich wird: Würde er alle Seitenäste verfolgen, alle Namen bis zum heutigen Tag dokumentieren, wären es zwischen einer halben und einer Million. Zudem sei es ein anderes Verhältnis, wenn diese Personen von weit weg kommen, als wenn es Namen sind, die man aus dem Dorf kennt, sagt der 25-Jährige.

Nun ist ein Stammbaum erst einmal nur eine Auflistung von Namen. Spannend wurde die Suche für Diehl dadurch, dass sich in den Dokumenten auch Hinweise zum Leben, Beruf und vielem mehr finden.

So hatte etwa in der Familie über 250 Jahre hinweg die Hühnerzucht Tradition. Erst vor wenigen Jahren gab der letzte Verwandte dieses Hobby auf. Unter den Vorfahren seines Vaters finden sich viele Müller, die etwa die Zellmühle bei Villingen oder die Pulvermühle in Niederkleen besaßen.

Zahlreiche Tode sind in den Kirchenbüchern verzeichnet. In einem fand er einen Bericht, dass eine Mutter ihr Neugeborenes für einen Moment unbeaufsichtigt gelassen hatte, ein Schwein ins Haus eindrang und den Säugling tötete. In einem anderen Kirchenbuch las er, dass in einer Familie vier Kinder in nur einer Woche starben. »Man kann sich kaum vorstellen, welches Leid dies für die Familie bedeutet haben muss, wenn man so etwas liest.«

Durch die Suche gelang es Diehl auch, ein Kapitel Familiengeschichte zu schließen: Der Bruder seines Opas war im Zweiten Weltkrieg verschollen. Die Anfrage an den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes vor über 70 Jahren blieb ergebnislos. Diehl fragte nun nochmal nach. Der Suchdienst konnte jetzt mitteilen, dass der Vermisste in Russland im Lazarett an einer Lungenembolie gestorben war.

Besonders interessant war es für ihn festzustellen, mit wem er im Dorf verwandt ist. »Der Familienname Matern ist seit über 220 Jahren in Dorf-Güll zu finden.« Bis ins 16. Jahrhundert zurück lassen sich Vorfahren aus dem Dorf nachweisen. Nebenbei erfuhr Diehl, dass sein Opa Gründungsmitglied des Sportvereins und sein Uropa kurzzeitig Bürgermeister des Dorfs war. Von seinen Urururgroßeltern fand er eine Fotografie aus dem Jahr 1917.

Sein Heimatdorf ist ihm durch die Suche noch nähergerückt. Diehl berichtet, dass er Ältere im Dorf nach ihren Erinnerungen gefragt habe. Oft hätten diese zunächst nichts gewusst, sich aber ein paar Tage später gemeldet, weil ihnen wieder Geschichten eingefallen sind oder sie alte Fotos wiedergefunden hatten.

»Wenn man solche Informationen über die Familie hat, die schon seit Generationen hier lebt, ist Dorf-Güll für mich nicht nur ein Wohnort, in dem man einfach nur lebt, sondern Dorf-Güll ist meine Heimat.«



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