05. Juni 2018, 15:00 Uhr

Marburg

200 Bürger informierten sich über »Grüner Wehr«

Rund 200 Marburger kamen auf Einladung der Stadt in den Kaufmännischen Schulen zusammen, um sich über die Sachlage zum »Grüner Wehr« zu informieren.
05. Juni 2018, 15:00 Uhr
In drei Arbeitsgruppen vertieften die Bürger mit Fachleuten die Fragen zum Wehr. Ein Auftrag an die Stadt: weitere Planungsvarianten – zum Beispiel ohne Kanurutsche – vorzustellen.

»Wir freuen uns über die große Resonanz und die sachliche Diskussion«, sagten Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies und Bürgermeister Wieland Stötzel. »Unser aller Ziel ist, dass das Grüner Wehr auch in 100 Jahren steht, denkmalgeschützt und stadtästhetisch so schön wie es heute ist, und wir dabei so naturerhaltend wie nur möglich vorgehen«, erklärte Spies. Der Magistrat hatte im Herbst 2017 die Planung unterbrochen, um die Bürger zu beteiligen. Mit dem Workshop jetzt wolle man über den Zustand und die bisherigen Überlegungen informieren. Den Entwurf (Stand: August 2017) stellte Dirk Meyer für das Planungsbüro der KLT-Consult GmbH vor. Er bezog sich auf das Gutachten aus 2008 sowie Tauchuntersuchungen, die zurück bis in die 60er-Jahre reichen.

Auf Kies gebaut

Das Wehr steht, laut Meyer, auf Kies und ist auf Holzpfählen gegründet. Über die Jahre hat das Wasser die Fugen des vor rund 500 Jahren errichteten Wehres ausgespült. »Wasser dringt ein und dadurch geraten die Blocksteine in Bewegung. Auch die Wehrkrone hängt etwas durch. Hinzu kommt eine ungleichmäßige Senkung im Untergrund«, erklärte Meyer.

Weil das Wehr von der Lahn langsam auf der Kiesschicht verschoben werde, sei es erforderlich, es durch zwei Spundwände tiefer zu verankern. Der verzogene Kern müsse durch einen Betonblock ersetzt werden, dies sei der Stand der Technik, so der Planer zum vorgelegten Entwurf. Allerdings würde dies nicht zu sehen sein, weil das Wehr mit behauenen Natursteinblöcken – wie jetzt – versehen werde.

Die Sanierung erfordert einen Zugang auf allen Seiten des Wehres, dabei werde möglichst schonend vorgegangen, um Flora und Fauna zu erhalten. Auf der Südseite ist eine Baustraße am Lahnufer notwendig, die im Anschluss zurückgebaut wird, und dieser Bereich wird renaturiert. Insgesamt müssten zwei Jahre Bauzeit eingeplant werden.

Fischereibiologe Dr. Dirk Hübner erläuterte im Anschluss, dass – egal welche Sanierungsvariante oder welcher Neubau kommen werde – eine Fischtreppe durch die EU-Wasserrichtlinie gesetzlich vorgeschrieben ist. Er attestierte der Lahn unterhalb des Wehrs einen außerordentlich wertvollen Tierbestand mit Barben, Äschen, Hechten und fünf Großmuschelarten. »Hinter dem Wehr tritt der Fluss aus seinem Korsett und es gibt eine sehr naturnahe Struktur«, machte er eindrücklich deutlich. All das werde durch ein strenges, gesetzliches Regelwerk auch bei Wehrsanierungen erhalten. »So muss es natürlich auch nach der Sanierung Kiesbänke geben, die flach überströmt werden«, betonte er. Das müsse jede Planung berücksichtigen. »Das ist vorgegeben und wäre sonst gar nicht genehmigungsfähig.« Die vorgesehene Fischtreppe stehe ebenso dafür, zumal sie mit einem Borstenpass gerade kleinen Fische beim Aufstieg Ruhezonen verschafft.

Diskussion eröffnet

In drei Arbeitsgruppen vertieften die Bürger die Diskussion. Experten standen als Ansprechpartner zur Verfügung. Fragen, ob mit oder ohne Beton saniert werden kann, der Wunsch nach einer schonenden, denkmalgeschützten Sanierung oder die Forderung nach einem weiteren Gutachten standen auf dem Plan. Die Arbeitsgruppe Naherholung erklärte, dass das Gebiet für Marburg und die Anwohner eine Herzensangelegenheit sei. So wurde den Verantwortlichen der Stadtt mitgegeben, für die flussabwärts vorgesehenen Podeste auf Holz (statt auf Beton) zu setzen.

Heiß diskutiert wurde auch der Bau einer Kanurutsche. Während sich Tourismusbehörden und der Kanu-Club dafür aussprechen, waren viele Bürger oder der BUND dagegen.

Fischereibiologe Dirk Hübner erklärte, dass über die Länge der Fischtreppe gesetzlich immer die Wehrhöhe entscheide. Somit sei diese Länge nicht variabel. Allerdings könnten die notwendigen 70 Meter, auch »gefaltet« – also im Zickzack – gebaut werden.

Spies und Stötzel gingen direkt auf die Diskussion des Vormittags ein und kündigten ein aktuelles Gutachten zum Baukörper des Wehres an. Dabei sollen zwei Fragen geklärt werden: Wie standfest ist das Wehr aktuell? Und: Gibt es andere Sanierungsmodelle, um das Wehr mit gleicher Stabilität, Standsicherheit sowie denkmalgerecht und naturnah zu erhalten? »Wir rechnen damit, dass das Kurzgutachten noch dieses Jahr vorliegt«, so Spies. Die Ergebnisse werden umgehend öffentlich gemacht.

Die bestehenden Planungen würden weiter entwickelt und erneut öffentlich gemacht und zur Diskussion gestellt – schließlich habe die Bürgerbeteiligung zum Wehr begonnen und nicht geendet. Dies ist per E-Mail unter gruenerwehr@marburg-stadt.de nun dauerhaft möglich.

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