Der Schwarzhumorist und preisgekrönte Romanautor legt in »Das Teemännchen« knappe Geschichten und Skizzen vor. Sie wirken teils wie im Albtraum ersonnen, teils wie real erlebt. Und geraten dabei perspektivlos pessimistischer denn je.
24. September 2018, 16:41 Uhr
Aus der Redaktion
(Foto: Christian Charisius (dpa))
Von schlechtem Essen und Fusel entstellte, von beißender Sexualnot geplagte Körper, die eine käsebleiche Haut voller eitriger, blutender Pickel und Pusteln überzieht: So oder so ähnlich sehen sie aus, die jungen oder auch gar nicht so jungen Anti-Helden aus den Romanen des Heinz Strunk. Und hinter ihrem entsetzlichen Äußeren tobt das verheerende seelische Elend: Einsamkeit, Komplexe, Orientierungsarmut, Mangel an Geist und Liebe eben. Alles norddeutsche Kleinbürger-Mittelmaß, scheint der bei Hamburg aufgewachsene und dort auch lebende Kultautor (56) dabei zu suggerieren.
Der große Erfolg einiger seiner Bücher zeigt wohl auch, wie viel sensibel wahrgenommenes, wenngleich satirisch überhöhtes Identifikationsmaterial Strunk seinen Fans bietet. Wer von Strunks Losern, die sich in vielen Fällen selbst so dauerhaft betrügen wie sie sich selbst befriedigen, noch immer nicht genug hat, kann nun auf einen Erzählband zurückgreifen, mit dem der Autor einmal mehr ein Füllhorn perspektivlos pessimistischer Daseinsbetrachtungen über dem Leser ausschüttet. Das tut er in »Das Teemännchen« erstmalig 50 kurzen bis ultrakurzen Geschichten und Skizzen. Diese variieren zwischen Sozialstudie, Groteske, Traumvision oder auch Schnipseln aus dem realen Leben.
Mehr denn je Geschmackssache
Foto: -/Rowohlt/dpa
Und geraten womöglich noch schwärzer als seine früheren Schöpfungen. Die neue Lektüre wird daher mehr denn je Geschmackssache bleiben und polarisieren. Denn einerseits darf man das Einfühlungsvermögen des Verfassers in unerhörte psychische Not und abgrundtiefe Gemeinheit ebenso preisen wie seinen scharfen Blick etwa auf die Verwerfungen, die Adipositas in der Gesellschaft anrichtet. Andererseits darf man den Strunk’schen Ansatz aber auch als schon lange gestrickte Masche begreifen, die geistig am Ende in genau jenes Nichts führt, das er in seinem Schaffen zu beklagen scheint. Eher subtil geht es in diesem Sinne in der titelgebenden Geschichte zu. Ein Schlaffi namens Michael macht dank einer Bürgschaft der Eltern einen Teeladen mit dem akademischen Namen »Aromatica« auf. Um ihn nach drei Monaten mangels Kunden wieder zu schließen, die Vorräte selbst zu trinken und dabei »ohne viel Aufhebens auf leisen Sohlen aus der Welt« zu verschwinden.
Wer den Autor treffen und seinen neuen Kurzgeschichten lauschen möchte, hat im Oktober in Frankfurt die Gelegenheit dazu. Heinz Strunk liest am Dienstag, 9. Oktober, ab 20 Uhr im Künstlerhaus Mousonturm.