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300 DM für das Endspiel-Ticket

Es war eine andere Zeit: Der Rabenauer Karl Wagner erinnert sich an das WM-Finale 1990 in Rom.
11. Juli 2014, 19:38 Uhr
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Das Wagner-Ticket: Olympiastadion Rom, 8. Juli 1990, Block P, Reihe 23, Platz 4. (Privat)

Wie die Zeit vergeht! Vor 24 Jahren hatte ich das besondere Glück, mir das Endspiel im Olympia-Stadion in Rom anschauen zu dürfen. Deutschland gewann gegen Argentinien 1:0 durch Elfmeter. Ich durfte mir in Block P; Reihe 23 auf Platz 4 das historische Ereignis live ansehen. 65 Prozent der Haushalte oder hochgerechnet 29,3 Millionen Menschen sahen in Deutschland das besondere Ereignis vor dem Bildschirm. Am Sonntag werden es bei der Neuauflage des WM-Endspieles von 1990 wahrscheinlich noch mehr Menschen sein, die gebannt auf den Bildschirm schauen und sehnsüchtig auf den vierten Stern warten.

Die Chance, eine Eintrittskarte für das Endspiel 1990 zu erhalten, schätzte ich damals als sehr gering ein. Da aber Italien im Halbfinale gegen Argentinien rausflog, Deutschland gegen England im Elfmeterschießen die Quali für das Endspiel erreichte, war zumindest eine geringe Hoffnung für den Erwerb einer Eintrittskarte vorhanden.

Familienurlaub war 1990 mit Wohnwagen auf der Insel Elba angesagt. Kurz entschlossen fuhr Vater Karl nach dem Aufbau des Vorzeltes mit dem Schiff zurück auf das Festland. Von Piombino aus ging es mit dem Zug weiter nach Rom. Zur Mittagszeit des 8. Juli wurde das Stadionaußengelände von vielen Menschen und Fans belagert. Public-Viewing gab es damals noch nicht. Eintrittskarten wurden zu diesem Zeitpunkt für mehr als 700 DM gehandelt. Gegen 18 Uhr verkaufte mir dann ein trauriger Italiener seine damals noch nicht personalisierte Eintrittskarte für 300 DM. Das war viel Geld vor 24 Jahren. Die Urlaubskasse hatte es aber gerade noch so hergegeben. Ich war glücklich und kaufte mir erstmals im Leben Fanbekleidung, die aus einer schwarz-rot-goldenen Kappe und einem Schal bestand.

Nach Betreten des Stadions kam mir alles wie ein Traum vor. Genauso wie jetzt das Ergebnis gegen Brasilien mit 7:1. Ich nahm Platz exakt auf der Seite, auf der »Andi« Brehme in der 85. den Elfmeter zum Siegtreffer verwandelte. Das war die Sensation. Mir war klar, dass ich das mal meinen Enkelkindern erzählen werden würde. Sie sind aber noch zu klein, um meine Freude von damals verstehen zu können. Sie wurden jetzt zur Einstimmung für den Gewinn des vierten Sterns schon mal mit dem neuesten Trikot unserer erfolgreichen Nationalmannschaft ausgerüstet.

Geschichte wiederholt sich. Am Sonntag stehen sich nach 24 Jahren Argentinien und Deutschland wieder im Weltmeisterschaftsfinale gegenüber. Damals flog das Gastgeberland Italien im Halbfinale aus dem Wettkampf. Brasilien muss nun das gleiche Schicksal als Gastgeberland ertragen. Ob man nun noch an Karten für das Endspiel kommen kann, ist schwer zu beurteilen. Rio de Janeiro ist leider dieses Jahr nicht mein Urlaubsziel!

Ich werde zu dem Millionenpublikum in Deutschland gehören, die unser Land zum vierten Mal als Fußball-Weltmeister sehen will! Die Hoffnungen sind berechtigt.

Artikel: https://www.giessener-allgemeine.de/import/mdv/sport/sportspezial/art1168,93232

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