21. Juni 2024, 18:52 Uhr

Schüleraustausch an der Gesamtschule Konradsdorf

Von Argentinien in die Wetterau

Argentinische Schüler lebten wochenlang bei Gastfamilien in der Region. Die kulturellen Unterschiede und ein dichtes Programm sorgten für ein Erlebnis, dass allen Beteiligten in Erinnerung bleibt.
21. Juni 2024, 18:52 Uhr
AJS
Die insgesamt zwölf Schüler aus Argentinien und von der Gesamtschule Konradsdorf möchten nach dem Austausch weiterhin in Kontakt bleiben. Die zwei betreuenden Lehrerinnen hoffen auf erneuten Besuch in den nächsten Jahren. FOTO: STEVENS

Für sieben Wochen kehrten sechs argentinische Schüler ihrer Heimat in der argentinischen Schweiz den Rücken und lernten das Leben in Oberhessen im Austausch mit der Gesamtschule Konradsdorf kennen. Die Berglandschaft und den Lago Nahuel Huapi um ihre Heimatstadt Bariloche tauschten sie gegen die sanften Hügel und die Auenlandschaft der Wetterau ein. Dabei unterscheidet sich nicht nur die Umwelt in ihrer Heimat merklich von unserer. Auch kulturell wurde der Kontinenten-Wechsel von einigen Umstellungen begleitet. »Alles ist ordentlich hier und die Deutschen sind pünktlich«, bemerkte die Gruppe einstimmig. In Argentinien sei das mit der Pünktlichkeit nicht so wichtig. »Man macht Termine und kommt, wann man möchte.« Nur in der Schule und bei der Arbeit sei das anders.

Kulturelle Unterschiede

Letzteres ist bemerkenswert, denn die Schüler stehen in der Heimat zwischen sechs Uhr und viertel vor sieben auf. Dabei wird frühestens um zehn zu Abend gegessen und vor Mitternacht ist keiner der Jugendlichen im Bett. In Deutschland vermissten die Argentinier außerdem das »Merienda« - eine süße Mahlzeit zwischen Mittag- und Abendessen.

Um die Eingewöhnung für die Schüler leichter zu gestalten, begleiteten in den ersten Tagen zwei argentinische Lehrerinnen die Gruppe. Sie ließen es sich nicht nehmen, alle sechs Gastfamilien zu besuchen. Dabei ging es ihnen nicht um die Kontrolle der Deutschen, sondern vielmehr darum, Ängste für den Aufenthalt in Argentinien auszuräumen.

Auch im Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern wurden die kulturellen Unterschiede sichtbar. Während in Deutschland das förmliche Sie und eine gewisse Distanz vorherrschen, werden in Argentinien das Du-Wort, Vornamen oder sogar Spitznamen zur Verständigung mit den Lehrern genutzt. Trifft man sich außerhalb des Klassenraumes, gibt es zur Begrüßung außerdem ein Küsschen.

Nach Abreise der beiden Bezugspersonen sorgte ein dichtes Programm dafür, dass für Heimweh keine Zeit war. Die Ausflüge in Städte der Region sowie nach Köln und München wurden lediglich von einer Reise nach Paris übertroffen. Das Ziel der Schulfahrt war abhängig von der gewählten Fremdsprache der deutschen Austauschpartner. Fünf der sechs deutschen Schüler hatten sich für Französisch oder Latein als zweite Fremdsprache entschieden und mussten deshalb ohne Spanischvorkenntnisse auskommen.

Bei den Argentiniern sah das anders aus. Alle konnten zumindest etwas Deutsch sprechen, bevor sie nach Oberhessen kamen. Der hessische Dialekt sorgte jedoch für gewisse Startschwierigkeiten in der Kommunikation. Geholfen hat das Engagement der deutschen Gastfamilien. Ein Schüler wurde mit argentinischen Flaggen und einem Willkommen-Banner begrüßt, während andere in Gedern im einmotorigen Flugzeug neue Erfahrungen sammelten.

Die 7000 Einwohner Kleinstadt steht im Kontrast zur über 100 000 starken Groß-Stadt Bariloche. Dass Deutschland jedoch auch anders kann, lernten die Austauschschüler in ihren ersten Tagen in der Bundesrepublik. Gemeinsam mit ihren Klassenkameraden erkundeten sie die Millionenmetropole Berlin, ehe sich die Schüler nach Österreich, Stuttgart und in unserer Region aufteilten.

Positive Resonanz

Der Austausch mit Deutschland hat in der argentinischen Schule Instituto Primo Capraro Tradition. Die Beteiligung der Gesamtschule Konradsdorf hingegen war eine Premiere. Den Kontakt stellte Lehrerin Eva-Maria Erb in ihrem Kanadaurlaub her. Ihr Reiseführer kam aus Bariloche und seine Schwester arbeitete im Sekretariat der Schule. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Carina Rühl kontaktierten sie ihr argentinisches Pendant und leiteten den Austausch ein. »Wir waren erst unsicher, ob unsere Schüler überhaupt nach Argentinien wollen, aber letztlich kamen die Jugendlichen auf uns zu.« Nach der positiven Resonanz unter den Schülern soll es nicht bei der Premiere bleiben. Es fanden sich bereits die ersten Interessenten für den Austausch im nächsten Jahr.

Am Freitag traten die Argentinier die Heimreise vom Frankfurter Flughafen an. Ihre Mitschüler aus Stuttgart und Österreich fuhren dafür mit der Bahn. Die Schüler aus Österreich reisten einen Tag früher an, um auf der sicheren Seite zu sein. Hier offenbart sich eine Gemeinsamkeit zwischen Deutschland und Argentinien. In beiden Ländern ist der öffentliche Nahverkehr notorisch unzuverlässig und man plant bei Fernreisen besser mit einem Puffertag. In der Heimat herrscht zurzeit Winter und die Vorfreude auf die Skisaison ist bei den Argentiniern groß. Die Deutschen folgen in ein paar Monaten im argentinischen Frühling. Sie werden zunächst fünf Tage in Buenos Aires verbringen, ehe sie vier Wochen lang in Bariloche bei ihren Gastfamilien wohnen werden. Die Schüler wollen die Sommerferien nutzen, um ihre Spanischkenntnisse voranzubringen.

Dieses Engagement unterstreicht, dass ein Schüleraustausch für alle Beteiligten zusätzlichen Aufwand bedeutet. Belohnt wird man jedoch mit neuen Freunden. Für die zwei deutschen Lehrerinnen ist klar: »Nach der Schule erinnern sich die Schüler an solche Ereignisse und nicht an den Matheunterricht.«



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