Der oberhessische Traum vom S-Bahn-Anschluss, er lebt noch. Doch bis es soweit ist, muss im ersten Schritt der Stockheimer Bahnhof grundlegend saniert und im zweiten die Niddertalbahn ausgebaut und elektrifiziert werden. Es sind wichtige Infrastrukturprojekte für die Region, die nach Jahrzehnten des Stillstands nun greifbar sind. Doch ob der Plan, den Eisenbahnknoten 2027 auszubauen, aufgeht, darf bezweifelt werden.
Die Theorie präsentieren die DB-Mitarbeiter Carsten Hoepfner (Leiter Bahnhofsmanagement Gießen), Sven Kulawik (Projektleiter des Stockheimer Bahnhofsumbaus) und Marius Trautmann, der Kulawiks Posten kurzfristig übernehmen wird, im Dorfgemeinschaftshaus in der Vordergasse. Das Trio hat am Donnerstagabend viele Informationen parat, agiert nahbar und erfrischend ehrlich. So schafft die Deutsche Bahn Vertrauen.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Die Entwurfsplanung ist fix. Im August soll das Planfeststellungsverfahren zeitgleich mit dem für die Elektrifizierung der 31 Kilometer langen Strecke von Stockheim nach Bad Vilbel auf den Weg gebracht werden. Sollte alles reibungslos verlaufen, könnte im August 2026 das Planrecht vorliegen. Die Ausschreibung der Gewerke könnte erfolgen, der Bahnhofsumbau Anfang 2027 beginnen.
Bewusst verwenden die Planer den Konjunktiv. Denn in der Praxis bringt die Elektrifizierung eine Reihe Großbaustellen mit sich, in die Verzögerungen eingepreist sind. »Da ist mit dem einen oder anderen Widerspruch zu rechnen. Deshalb ist der auf das Jahr 2027 ausgelegte Plan sehr ambitioniert«, sagt Carsten Hoepfner. Glauburgs Bürgermeisterin Henrike Strauch (SPD) wird noch konkreter: »Ich rechne mit einem Baubeginn frühestens 2028.« Sie berichtet vor dem Hintergrund der für 2027 geplanten Landesgartenschau in elf oberhessischen Kommunen, bei der der Stockheimer Bahnhof zur Mobilitätsdrehscheibe der Region werden soll, von Gesprächen über das etwaige Verschieben des Umbaus. Davor warnt zumal Ex-Landrat Rolf Gnadl (SPD) eindringlich. Der Glauberger, ausgewiesener Bahnexperte und Mitglied vieler Verkehrsgremien, appelliert: »An der ambitionierten Zielsetzung sollte unter allen Umständen festgehalten werden, damit wir möglichst wenig Zeit verlieren.« Sollte dem Projekt die Dringlichkeit abgesprochen werden, rückt es schlechtestenfalls wieder in weite Ferne, so Gnadl.
Was wird neu gemacht?
Derweil zeigen die Projektleiter anhand von Bildsynthesen, wie der Bahnhof nach dem Umbau aussehen wird. Er bekommt eine neue, um einige Meter versetzte und höhere Personenunterführung. Die Bahnsteige kriegen neue Dächer aus Stahl, alle Wege werden barrierefrei. Am Haus- und Mittelbahnsteig werden Aufzüge installiert. Die Unterführung soll bis zur Dünstbergstraße auf der andere Seite des Bahnhofs verlängert werden. Dort, am Vulkan-Radweg, ermöglicht eine 110 Meter lange Rampe den Zugang.
Der Mittelbahnsteig wird erneuert, bekommt zwei Höhen (55 Zentimeter an Gleis 2, 76 Zentimeter an Gleis 3), damit an ihm unterschiedliche Triebfahrzeugtypen halten und Fahrgäste barrierefrei ein- und aussteigen können. Zudem erhält die Station einen neuen, 90 Meter langen Bahnsteig 3 b. Ihm wird mit der Elektrifizierung eine große Bedeutung beigemessen, vor allem dann, wenn es um die Flügelung und Teilung von Zügen geht.
Ausdrücklich erwähnt Carsten Hoepfner den Deutschlandtakt. Denn: Bislang sind Fahrpläne der vorhandenen Infrastruktur angepasst worden. Mit dem Deutschlandtakt wird zunächst der Zielfahrplan aufgestellt, um dann die notwendigen Anpassungen des Schienennetzes vorzunehmen. Für die Niddertalbahn sind mittelfristig ein Halbstundentakt unter der Woche sowie je nach Bedarf Verstärker vorgesehen. Das erklärt der Glauberger Stefan Klöppel, Verkehrsleiter des Zweckverbands Oberhessische Versorgungsbetriebe (ZOV). Der aktuelle Verkehrsvertrag für die Strecke läuft 2027 aus. Gegenstand der Neuvergabe sind moderne Elektrotriebzüge.
Wann kommt die S-Bahn?
Die S-Bahn nach Frankfurt wird aber so bald noch nicht in Stockheim abfahren. »Die Bestellung des RMV sieht aktuell keine S-Bahn-Angebote vor«, betont Carsten Hoepfner im Zusammenhang mit den neuen Bahnsteigshöhen. Bahnsteige, an denen ausschließlich S-Bahnen halten, sollen laut Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung auf eine Höhe von 96 Zentimeter über Schienenoberkante gelegt werden. Es gibt jedoch auch S-Bahn-Züge, die niedrigere Bahnsteige anfahren können. »Mit der Elektrifizierung kommt erst mal keine S-Bahn«, so der Bahnhofsmanager, der dann aber ergänzt: »Wir reden hier nur über die nächsten 10, 15 Jahre. Dann geht’s weiter. Der Fortschritt hört ja nicht auf.«