11. Juni 2024, 21:30 Uhr

Land empfiehlt Senkungen

Wird in der Wetterau die Steuerschraube gedreht?

Das Land empfiehlt 22 der 25 Wetterauer Kommunen, ihre Hebesätze bei der Grundsteuer B für 2025 zu senken. Bindend ist das nicht - zu erwarten sind daher kontroverse Haushaltsdebatten.
11. Juni 2024, 21:30 Uhr
HED
Bei den Haushaltsberatungen im Herbst werden die meisten Kommunalpolitiker im Wetteraukreis wohl über eine Senkung der Grundsteuer-Hebesätze debattieren. Die Frage ist: Halten sich alle an die Empfehlungen des Landes? FOTO: IMAGO

Das Bundesverfassungsgericht hat die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form für grundgesetzwidrig erklärt. Eine Reform soll Aufkommensneutralität erreichen; Kommunen sollen 2025 nach dem neuen Recht etwa gleich viel Grundsteuer einnehmen wie 2024 nach dem alten Recht.

Vergangene Woche hat das Land Hessen den Kommunen Empfehlungen gemacht, welcher Hebesatz ab 2025 eigentlich gelten müsste. Nur in Bad Nauheim, Bad Vilbel und Friedberg wird ein (leicht) höherer Prozentsatz für die Grundsteuer B vorgeschlagen. Die restlichen Kommunen sollten ihre Hebesätze zum Teil deutlich senken. Doch werden sie das auch tun?

Welchen Hebesatz eine Kommune ansetzt, entscheiden die Stadtverordneten bzw. Gemeindevertreter selbst, in der Regel während der Haushaltsberatungen. Die Hebesätze werden auf Basis der neuen Grundsteuermessbeträge beschlossen - und in diesem Jahr vermutlich kontrovers diskutiert. Schließlich hat das Land mit den Empfehlungen nun öffentlich gemacht, welche Hebesätze rechnerisch für eine Aufkommensneutralität anzusetzen wären. Grundlage sind die Bescheide über den Grundsteuermessbetrag, von denen mehr als 95 Prozent vorliegen. Doch nicht selten wird in den Kommunen an der (Grund-)Steuerschraube gedreht, um defizitäre Etats zu vermeiden. Immerhin zwölf der 25 Wetterauer Kommunen konnten für 2024 keinen ausgeglichenen Etat vorlegen.

Eine Frage von Stil und Vertrauen

Cäcilia Reichert-Dietzel (SPD), Bürgermeisterin in Ranstadt, begrüßt das Ansinnen, die Grundsteuer aufkommensneutral zu gestalten, über die Mitteilung aus dem Hessischen Finanzministerium hat sie sich aber dennoch geärgert. »Das Schreiben an die Kommunen ist zeitgleich mit der Pressemitteilung veröffentlicht worden - mit den Kommunen hat vorher niemand gesprochen«, bemängelt sie. Ein derartiges Vorgehen trage eher zur Verunsicherung, auch der Kommunalpolitiker, bei. Es sei eine Frage von Stil und Vertrauen - sie wolle ein Schreiben an Finanzminister Alexander Lorz aufsetzen und ihn bitten, die Kommunen zu stärken.

Reichert-Dietzel erinnert an bisherige Aussagen des Regierungspräsidiums, dass ein Hebesatz von 700 Prozent zumutbar sei. Mit den Grundsteuereinnahmen werden etwa Kitas oder die örtliche Infrastruktur finanziert. Bei der Kinderbetreuung seien die Kosten »explodiert«, gibt Reichert-Dietzel zu bedenken, die Gewerbesteuereinnahmen seien eingebrochen und die angekündigte Anhebung der Kreisumlage schwebe wie ein Damoklesschwert über einer Kommune wie Ranstadt. »Man muss auch offen und ehrlich sein, dass die Kommunen von Bund und Land nicht ausreichend ausgestattet werden«, betont die stellvertretende Sprecherin der Bürgermeister-Dienstversammlung im Wet-teraukreis und bemerkt, dass die vor zehn Jahren angekündigte Reform des kommunalen Finanzausgleich überhaupt nicht mehr auf der Agenda des Landes stehe. Ihr Fazit: »Der Schwarze Peter wird wieder mal an die Kommunen delegiert.«

Für Ranstadt empfiehlt das Land eine deutliche Senkung der Grundsteuern A und B. Sie werde das nun in die Gremien geben, sagte Reichert-Dietzel - und erwartet eine »kontroverse Diskussion«. Ranstadt hatte für 2024 einen Anstieg der Grundsteuer B von 395 auf 470 Prozent beschlossen.

Die Spanne bei der Grundsteuer B reicht aktuell von 850 Prozent in Kefenrod bis 310 Prozent in Wölfersheim. Dort will Bürgermeister Eike See (SPD) die Empfehlung des Landes erst einmal genau prüfen. »Da wir uns aktuell in der Aufstellungsphase für den Doppelhaushalt 2025 und 2026 befinden, lässt sich heute noch nicht seriös abschätzen, wie mit der Höhe der Grundsteuer im Laufe der nächsten Jahre umgegangen werden muss.« Keine belastbaren Aussagen auch aus Bad Vilbel, wo das Land eine Anhebung der Grundsteuern von 450 auf 539,51 (A) und 513,62 (B) vorschlägt. Die Kämmerei schaue sich die Zahlen genau an, so die lapidare Aussage aus dem Rathaus.

»Die politisch Verantwortlichen müssen wieder lernen, ›Nein‹ zu sagen. Nicht alles Wünschenswerte ist notwendig und finanziell zu stemmen«, sagt Jochen Kilp, Vorstand des Bundes der Steuerzahler in Hessen. Man sehe, dass die Kommunen durch steigende Löhne, die Flüchtlingsunterbringung und ein insgesamt höheres Preisniveau bei steigenden Zinsen unter Druck stünden. »Allerdings sollten die Städte und Gemeinden nicht einseitig an der Steuerschraube drehen und so die Lasten bei den Bürgerinnen und Bürgern abladen.« Kommunen müssten mehr Prioritäten setzen, ihre freiwilligen Standards und Leistungen hinterfragen. Durch Interkommunale Zusammenarbeit etwa ließen sich Synergien erzeugen, Aufgaben besser und wirtschaftlicher erledigen.

Die zuletzt in einigen Kommunen beschlossenen Erhöhungen stellten eine höhere »Absprungbasis« für die Umstellung dar, die sich für die nächsten Jahre auswirke.

Kilp rät, Bürgerinnen und Bürger sollten genau verfolgen, ob ihre Kommunen die vom Land empfohlenen, aufkommensneutralen Hebesätze auch anwenden.



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