Als sich die Türen des Lkw öffnen, stehen 15 Konfirmanden, zwölf Helfer aus Gemeinde, Kirchenvorstand, Kantorei und Gospelchor sowie die vier Mitarbeiter der Bonner Orgelbaufirma Klais und ein weiterer Orgelbauer erwartungsvoll davor. Die Ladefläche ist voll von Zuschnitten, Kisten, Kartons, Maschinen und ein paar großen Holzpfeifen.
Was die vielen fleißigen Hände geschickt und erfahren in Arbeitsketten vorsichtig in die Dankeskirche schleppen, ist ein Haufen bestes, massives Eichenholz. Passend zurechtgesägt vom Schreiner in Bonn als Rahmenkonstruktionen oder Stützen, Boden- und Deckplatten oder vorbereitet als Windladen. »Beim Zusammensetzen ergibt sich fast alles von selbst«, meint Baustellenleiter und Orgelbauer Stephan Rau zuversichtlich. Er hat schon viele Orgelneubauten gestemmt, und die Baupläne hat er ja auch noch.
Zuerst werden die verschiedenen Windladen ausgeladen, dann die langen rechteckigen und dreieckigen Teile, dann die großen Rahmen für das Schwellwerk, die nur in Millimeterarbeit durch das Turmportal passen. Die Mädchen packen fest mit an, greifen sich nicht nur die Kleinteile. »Habt ihr saubere Finger?« fragt einer der Mitarbeiter die Konfis, denn das helle Holz soll sauber bleiben. »Nicht am Zapfen anfassen«, werden Max und Elia gewarnt, die die erste Holzpfeife von der Hebebühne tragen dürfen. Klais liefert Wertarbeit bis in die hinterste Ecke und die tiefste Platte. Darauf achten die Fachleute. Nach und nach kommen Staubsauger und Kompressor zum Vorschein, Werkbank und Kreissäge, Leitern, Montage- und Werkzeugkästen, ein Luftrohr und in einer Kiste geschützt der große Motor für die Windversorgung.
Lkw schneller als erwartet geleert
Wenn für einen Moment Zeit zum Staunen bleibt, dann über den hohen Holzanteil in der Orgel und die viele handwerkliche Arbeit. Rau gibt die Kommandos beim Entladen. Alle hören auf ihn. Drinnen im Kirchenraum hat der als Orgelbauer fast ausgelernte Joel Hertwig das Sagen und weist den Lagerplatz an.
Nach zweieinhalb Stunden ist der Lkw leer. »Das ging schneller als gedacht«, freut sich Elke Schulze, Vorsitzende des Bauausschusses im Kirchenvorstand, die mit ihrem Mann kräftig zugelangt hat. Genauso wie Volker Gräfe, der Vorsitzende des Orgelbaukreises, dem die Freude über diesen Moment des Aufbaubeginns nach mehr als sechs Jahren intensiver Vorbereitung, Spenden sammeln und Planung im Gesicht steht.
»Wir fangen heute Mittag an und ziehen das Material mit einer Seilwinde hoch. Dann wird eingemessen und ausgerichtet«, erklärt Rau die nächsten Schritte. Er und Joel Hertwig, Denis Schröder, Christoph Kätzel und Auszubildende im 2. Lehrjahr Janina Maier arbeiten von hinten nach vorne und von unten nach oben.
Geduld nötig bis zum Frühjahr 2025
So wird zunächst das eingebaut, was hinten im Turm verschwindet und nicht mehr erreichbar ist, samt Elektro- und Detailarbeiten. Auch die alten aufbereiteten und etwas gekürzten Pfeifen von 1906, die mit der ersten Pfeifenladung am Donnerstag kommen, werden im Turm versteckt.
»Wir bleiben jetzt für ein paar Monate hier, auch am Wochenende«, freut sich Joel, denn nicht nur die Arbeit an einer neuen Orgel macht ihm Spaß, sondern auch eine neue Stadt zu entdecken. Es sei immer spannend, meint er. Es ist sein zweiter Neubau nach Brügge. Wie lange der Grundaufbau dauere, könne er schwer abschätzen, sechs bis acht Wochen vielleicht, meint Rau. Denn in der Dankeskirche muss man den Orgelprospekt an den denkmalgeschützte Eichensockel anpassen. Das ist auch der Grund, weshalb in der Werkstatt in Bonn die gesamte Orgel nicht voraufgebaut wurde, wie sonst üblich. Sobald alles komplett mit Spieltisch steht, beginnt Intonateur Andreas Saage mit der klanglichen Einstimmung auf den Kirchenraum. Das dauert wiederum einige Monate, denn dazu ist absolute Ruhe notwendig.
Und schließlich muss sich der Organist noch mit dem neuen Instrument vertraut machen. So werden sich die Orgelfreunde wohl noch bis zum Frühjahr 2025 gedulden müssen, bis die Klangquelle für sie sprudelt. Auch das ist eine Erfahrung der Orgelbauer: »Die schönste Einweihungsfeier ist doch immer dann, wenn kein Zeitdruck besteht.«
Man kann spenden
Wegen der Baustelle, des gelagerten Materials und ungestörten Arbeitens bleibt die Dankeskirche mindestens bis Oktober komplett geschlossen. Danach können sporadische Schließungen folgen. Die Gottesdienste sind in dieser Zeit in der Wilhelmskirche. Manche Veranstaltungen wie »1guteStundeGOTT« am 1. September finden auf der Wiese im Umfeld der Dankeskirche statt, nur bei Regen in der Wilhelmskirche. Alle Änderungen werden jeweils im Schaukasten an der Dankeskirche bekannt gegeben.
Das Orgelprojekt ist mit knapp einer Million Euro veranschlagt und wird zu 90 Prozent durch Spenden finanziert. Ein großer Teil der Summe ist bereits vorhanden. Wer zur Restfinanzierung beitragen möchte, kann das durch Pfeifen- oder Registerpatenschaften tun oder spenden. Stichwort: Orgel Dankeskirche, Sparkassen Oberhessen: IBAN DE09 5185 0079 0030 0016 21 oder Volksbank Mittelhessen: IBAN DE83 5139 0000 0089 3284 03. Alles zum Orgelprojekt, online spenden und Bilddokumentation gibt es im Internet unter der Adresse www.orgel-dankeskirche.de.