Nachdem das Frühjahr 2024 verregnet und kühl gewesen ist, ist es in diesem Jahr trocken und warm. Der Deutsche Wetterdienst spricht vom trockensten Frühling seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1931 - im Durchschnitt hat es in Deutschland zwischen Februar und Mitte April nur 40 Liter pro Quadratmeter geregnet.
Auswirken dürfte sich das zuerst auf die Landwirtschaft. Andrea Rahn-Farr, Vorsitzende des Regionalbauernverbandes Wetterau/Frankfurt, gibt jedoch Entwarnung: Die Kulturen sehen aktuell gut aus (siehe Interview unten). Thorsten Nagel, Landwirt aus Geiß-Nidda, berichtet im Gespräch mit dieser Zeitung, wie sich die Trockenheit so früh im Jahr auf seine Äcker auswirkt - er sagt aber auch, dass im Hinblick auf die Ernte noch alles offen ist.
Auf Nagels Äckern steht Wintergetreide, das grün und saftig aussieht. Der Raps ist in den letzten Zügen der Blüte, strahlt jedoch noch leuchtend gelb. Der Mais hat sich bereits aus dem Boden gekämpft, ist bisher einige Zentimeter groß. Einzig das Soja-Feld ist noch kahl, die Bohnen liegen unverändert in der Erde - von Keimlingen noch keine Spur.
Das trockene Frühjahr wirkt sich vor allem auf die Sommerkulturen aus, die erst in den vergangenen Wochen gesät wurden und jetzt Wasser zum Wachsen brauchen, sagt der Geiß-Niddaer Ortslandwirt. Er berichtet von einer »Riesen-Staubwolke« bei der Aussaat, was für das Frühjahr nicht typisch sei. Trotzdem sei der Boden bei weitem nicht so trocken, wie das im Sommer der Fall sein kann. Größere Erdbrocken seien im Winter kaputtgefroren, sodass es jetzt einen guten, feinkrümeligen Boden gebe.
Getreide und Raps sind gesund
Thorsten Nagel hat den Hof 1994 von seinen Eltern übernommen, auf den 100 Hektar betreibt er überwiegend Ackerbau mit Kulturen wie Mais, Raps, Soja, Weizen, Gerste und Emmer. Hinzukommt eine kleine Tierhaltung mit Mutterkühen.
Auswirkungen der Trockenheit merkt Nagel derzeit vor allem beim Soja. »Der ist jetzt seit einer Woche im Boden und hat noch keinen Regen bekommen«, sagt er. Die benötige er jedoch für die Keimphase, sobald die Pflanze austreibt und Wurzeln bildet, könnten diese die Feuchtigkeit weiter unten im Boden erreichen. Deshalb hofft der Landwirtschaftsmeister auf etwas Regen, damit die Sojabohnen möglichst bald keimen.
Beim Mais gehe es darum, den richtigen Saatzeitpunkt zu wählen, denn er vertrage keine Fröste. Ein Bekannter von ihm habe den Mais bereits vor Ostern gesät, sodass die Pflanzen schon Wasser bekommen haben, berichtet Nagel. Er selbst säte den Mais erst nach Ostern, weshalb seine Pflanzen jetzt noch kleiner sind.
Der Raps habe bei der Aussaat im August einen schlechten Start gehabt, die Pflanzen seien im Winter jedoch nicht kaputt gefroren und entwickeln sich jetzt gut, erläutert Nagel. »Dem Wintergetreide mangelt es derzeit an nichts.« Nach der Aussaat im Herbst fangen die Pflanzen im Frühjahr an, zu wachsen.
»Dann brauchen sie jedoch gleich Nährstoffe und Wasser«, sagt Nagel. Als er Anfang März Dünger ausbrachte, haben sich die Körner wegen der Trockenheit zuerst nicht aufgelöst. Dennoch sei das Getreide sehr gesund. Wenn es feucht ist, begünstige das Pilzkrankheiten. Dieses Problem habe man derzeit nicht, weshalb es auch weniger Pflanzenschutzmittel brauche. Lediglich die jungen Ähren, die sich noch im Halm befinden, benötigen jetzt Regen.
Was es laut Nagel bräuchte, wäre ein Landregen. Stattdessen gebe es vermehrt Phasen mit Trockenheit sowie wolkenbruchartige Regenfälle, die regional sehr unterschiedlich ausfallen. Das kenne man so nicht, meint der Landwirt. Wenn das Wasser fehlt, könne man nicht viel machen. »Wir können nicht einfach bewässern«, sagt er. Stattdessen könne man wasserschonend bewirtschaften - etwa durch weniger Pflügen und vielfältige Kulturen, damit der Boden gesund bleibt. »Das ist auch uns Landwirten wichtig, der Regenwurm ist unser wichtigster Mitarbeiter.«
Ihm liegt es fern, über die Lage der Bauern zu jammern. Doch er hebt hervor, dass man als Landwirt ständig das Wetter und den Zustand der Natur im Blick haben muss. Seine Bilanz im Hinblick auf den ausbleibenden Regen: »Große Probleme gibt es noch keine.« Er finde es kritisch, im Frühjahr schon zu sagen, wie die Ernte wird. Nagel: »Es ist gerade zwar trocken, aber die Pflanzen haben noch genug Zeit, um zu wachsen.«
Region (pgs). Das Frühjahr ist zwar eher trocken, Schäden gibt es jedoch noch kaum, sagt Andrea Rahn-Farr, Vorsitzende des Regionalbauernverbandes Wetterau/Frankfurt. Im Interview erklärt sie, dass es den Beständen in Oberhessen derzeit gut geht und ab wann die Trockenheit ein Problem wird.
Frau Rahn-Farr, im vergangenen Jahr war vor allem der Saisonbeginn verregnet. Wie sieht es jetzt aus?
2024 ist ein Rekordniederschlagsjahr gewesen. In den vergangenen Monaten gab es vergleichsweise deutlich weniger Niederschlag: Seit Anfang dieses Jahres hatten wir laut unserer hofeigenen Wetterstation in Rinderbügen eine Niederschlagssumme von 185 Litern Regen pro Quadratmeter. Davon sind fast 100 Liter im Januar gefallen. Im Februar waren es dagegen 30 Liter, im März weniger als 15 Liter und im April 33 Liter.
Vor einigen Wochen herrschte bereits Waldbrandgefahr. Hat die Trockenheit Auswirkungen auf die Landwirtschaft?
Schäden gibt es aktuell noch kaum. Die Bestände sehen gut aus. Ich würde in Mittelhessen nicht von einer Rekordtrockenheit sprechen. In anderen Regionen ist das durchaus der Fall, wir liegen jedoch nicht in einem Extremgebiet. Trotzdem ist der Oberboden recht trocken und wir sind darauf angewiesen, dass es jetzt immer mal wieder regnet.
Im September sagten Sie im KA-Interview, dass der viele Regen die Grundwasservorräte aufgefüllt hat. Kommt das jetzt zum Tragen?
Genau, das kann man so sagen. Dadurch, dass wir aus einem sehr nassen Jahr kommen, ist der Untergrund weiterhin feucht. Im Herbst war es noch so nass, dass man mit dem Säen des Wintergetreides aufpassen musste. Im April beim Grubbern für die Mais-Aussaat haben wir etwa gesehen, dass noch genügend Wasser im Unterboden ist. Allerdings ist das abhängig von der Bodenart. Denn innerhalb der Region gibt es Unterschiede darin, wie viel Wasser die Böden speichern können.
Können Sie diese Unterschiede näher erläutern?
Lösslehm-Böden, wie es sie in der Wetterau gibt, haben zum Beispiel eine hohe Wasserspeicherfähigkeit, die sogenannte Feldkapazität. Diese wird geringer, wenn der Boden sandiger ist, etwa im Hessischen Ried. Ebenso Richtung Vogelsberg, wenn nach einer Erdauflage von 25 Zentimetern schon Fels folgt. Dieser Boden kann weniger Wasser speichern, das Risiko bei Trockenheit ist dann höher. Dennoch stehen die Kulturen in der östlichen Wetterau durchweg gut. Ausnahme ist ein Streifen zwischen Büdingen und Glauburg, wo es am Samstag zu Starkregen und Hagel kam. Getreide, Mais, Rüben und Raps sind dort geschädigt bis vernichtet worden.
In der nächsten Zeit bräuchte es jedoch mehr Regen, damit sich die Bestände weiter gut entwickeln?
Wenn es jetzt trocken bleibt, wird es Probleme geben. Wir sind darauf angewiesen, dass wir bis zur Ernte regelmäßig Feuchtigkeit von oben bekommen. Vor allem die im Frühjahr gesäten Sommerkulturen wie Ackerbohnen, Rüben oder Mais benötigen das. Aber auch der Weizen braucht für die Kornbildung Wasser, sonst bleiben die Körner klein und mickrig. Genauso ist es bei den Wiesen, wenn dort Gras für die Kühe als Silage oder Heu geerntet werden soll oder wenn Weidegang betrieben wird. Das Grünland ist massiv auf Wasser angewiesen. Die Wasservorräte in den Böden sind durch das trockenere Frühjahr nicht mehr so hoch, dass wir jetzt auf Regen verzichten könnten.
Andrea Rahn-Farr (53) ist seit 2016 Vorsitzende des Regionalbauernverbandes Wetterau/Frankfurt. Mit ihrem Mann betreibt die Diplom-Agraringenieurin einen Milchkuhbetrieb mit Jungtieraufzucht in Rinderbügen, der etwa 400 Milchkühe beherbergt
VON PAULINA SCHICK