05. Mai 2025, 19:21 Uhr

Kommunale Wärmeplanung

Kommunale Wärmeplanung in Bad Nauheim: Kommt es zum Wärmeschreck für die Stadtteile?

Bei der Energiewende sollen Städe und Gemeinden ihre Einwohner mit einer kommunalen Wärmeplanung unterstützen. Was kommt auf die Bad Nauheimer zu?
05. Mai 2025, 19:21 Uhr
IHM
Ein Kalte-Nahwärme-Netz, wie es zur Versorgung von Bad Nauheim Süd gebaut worden ist, ist womöglich auch eine Option für weitere Eignungsgebiete in der Kernstadt. Schwieriger ist die Lage in den meisten Stadtteilen. ARCHIVFOTO: PV/STADTWERKE

Der Wechsel zu erneuerbaren Energien ist beim Heizen vermehrt auf dem Vormarsch. Die Städte und Gemeinden müssen ihre Bürger dabei unterstützen. »Der Auftrag ist, bis 2028 eine kommunale Wärmeplanung zu erstellen. Wir sind schneller.« Das hat der Bad Nauheimer Bürgermeister Klaus Kreß (parteilos) jüngst im städtischen Bauausschuss gesagt. Es sei eine immense, äußerst kostenintensive Aufgabe - und die Frage sei, wer es bezahlt. Erfreulicherweise hat die Stadt laut Kreß die Stadtwerke an ihrer Seite.

Nicolai Müller, Projektleiter bei der Firma Greenventory, stellte den Zwischenstand vor. Ein recht technisches, fast abstraktes Thema war es. Wie zu hören war, stehen die Bürgerinnen und Bürger in den Stadtteilen vor einer völlig anderen Situation als die Menschen aus der Kernstadt. Zunächst aber zu einigen grundsätzlichen Aspekten.

Die meisten heizen noch mit Erdgas

»Wir haben 10060 Gebäude analysiert und dabei kam heraus, dass der Wohnsektor dominierend ist«, sagte Müller. Diesen Anteil bezifferte er auf 90 Prozent. Der Rest sei auf Industrie, Gewerbe, Handel, Dienstleistung und die öffentlichen Gebäude verteilt. In Bad Nauheim wird seinen Worten zufolge zu etwa 80 Prozent mit Erdgas geheizt, zu knapp zehn Prozent mit Öl und zu weiteren zehn Prozent mit bestehenden Nah- und Fernwärmenetzen oder auch Strom für Direktheizungen.

Der Wärmebedarf in der Stadt liege aktuell bei 263 Gigawattstunden pro Jahr (GWh/a). Das Potenzial erneuerbarer Energien für kommunale Wärmenetze, besonders der Geothermie mit Kollektoren, sei aber ausreichend (siehe unten). Laut Müller könnte in der Kurstadt zudem eine große Menge des Heizbedarfs eingespart werden, wenn die Menschen ihre Gebäude sanieren.

Kommunale Wärmeplanung: Neun Eignungsgebiete

Wie er weiter erklärte, bestehen neun Eignungsgebiete für ein Wärmenetz. Acht in der Kernstadt, eins in Rödgen. Häuser, die dort liegen, können sich eines Tages also anschließen lassen. Netze, die bereits bestehen, sind die Kalte-Nahwärmeversorgung in Bad Nauheim Süd und Am Holzberg in Rödgen.

Bittere Nachricht für die meisten Stadtteile: In Nieder-Mörlen, Schwalheim, Steinfurth und Wisselsheim hat Greenventory keine Eignungsgebiete ermittelt. Dort lägen fast nur Einzelhäuser, weshalb der Betrieb nach Worten von Müller unwirtschaftlich für den Wärmenetzbetreiber wäre. Laut Heiko Heinzel, Fachbereichsleiter für die Stadtentwicklung, wird die kommunale Wärmeplanung aber auch für die Ortsteile Antworten geben. Bürgermeister Kreß fügte hinzu: »Jetzt schon daraus zu schließen, dass die Stadtteile sich alleine kümmern müssen, ist verfrüht.«

Sorgen über das, was kommt

Nach Ansicht von Markus Theis (FW) sollten die Bürger der Stadtteile allerdings rasch informiert werden, womöglich selber aktiv werden zu müssen. Seiner Ansicht nach bedeutet der nahende Beschluss der kommunalen Wärmeplanung im Stadtparlament, dass ab diesem Moment die Bestimmungen des Heizungsgesetzes greifen. Seine Befürchtung: Bürger seien ab dann verpflichtet, Heizungen mit 65 Prozent erneuerbaren Energien auszurüsten, wenn sie sie wegen eines Defektes austauschen müssen. »Für viele Menschen, etwa ältere, ist das existenziell«, betonte er. Theis appellierte, nicht vor 2028 zu beschließen. Wie Nicolai Müller beruhigte, habe der Parlamentsbeschluss noch keine rechtliche Wirkung. »Erst, wenn die Stadt einen gesonderten Beschluss fasst, ein Wärmenetzausbaugebiet zu errichten, gilt dort die 65-Prozent-Regel«, sagte er.

Stadtwerke arbeiten an Konzepten

Karl Umsonst (Stadtwerke) ergänzte, dass die Menschen konventionelle Heizungen vorerst weiterbetreiben dürften, wenn in ihrer Gegend ein Wärmenetz angedacht ist. Für den Fall der Erneuerung defekter Heizungen in der Übergangszeit überlegen die Stadtwerke, wie er sagte, was sie anbieten können. Beispielsweise Mietmodelle. »Wir sind an allen möglichen Sachen dran.«

Als Maßnahmen für die Stadt schlug Müller zunächst eine Voruntersuchung des Innenstadtgebiets vor, um festzustellen, welche Energieformen sich eignen. Eine digitale Sanierungserstberatung für Bürger und Info-Veranstaltungen sieht er als weiteren Schritt, gefolgt von Energiekonzepten in der städtischen Bauleitplanung. Auch das sukzessive Umstellen kommunaler Liegenschaften auf klimaneutrale Wärmeversorgung sei wichtig, da die öffentliche Hand Vorbildfunktion habe.

Auf den endgültigen Bericht darf man gespannt sein.

Wie es weitergeht

Seit 2023 sind Kommunen gesetzlich dazu verpflichtet, eine Kommunale Wärmeplanung auf den Weg zu bringen. Bad Nauheim hat dies zeitnah in Angriff genommen und arbeitet mit dem Unternehmen Greenventory zusammen. Die Ergebnisse seiner Untersuchung wird Greenventory in einem Bericht darlegen. Darin steht, mit welchen Zielszenarien für die Energieversorgung - sprich mit welchen Energieträgern - sich die Stadt auf den Weg macht. Im Juni soll der Bericht in den parlamentarischen Gremien vorgestellt werden. Für August ist eine Bürgerversammlung zum Thema vorgesehen. Anschließend kommt es zur Offenlage, damit die Bürger Stellung beziehen können.

Im September soll das Stadtparlament einen Beschluss dazu fassen

Die Potenziale in Bad Nauheim

Laut Nicolai Müller (Greenventory) konnte sein Unternehmen folgende Potenziale ermitteln: Geothermie mit Kollektoren, Solarthermie auf Dächern, Luftwärmepumpen, Biomasse, Abwasser und Sole. Er nannte Zahlen: Die Potenziale der Geothermie mit Kollektoren betragen demnach 937 GWh/a, gefolgt von Solarthermie auf Dächern (147 GWh/a), Luftwärmepumpen (73 GWh/a), Biomasse (23 GWh/a), Abwasser von der Kläranlage (20 GWh/a) und Sole (12 GWh/a). Das bei weitem größte Potenzial, die Solarthermie auf Freiflächen, kommt seinen Worten zufolge wegen der guten landwirtschaftlichen Böden der Wetterau nicht in Frage.

Und bei der Geothermie dürfe wegen des Heilquellenschutzgebietes nur flach in die Erde eingedrungen und mit Kollektoren gearbeitet werden



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