05. Mai 2025, 19:20 Uhr

Redner, Autor, Motivator ohne Arme und Beine

Janis McDavid: »Freue mich riesig auf Bad Nauheim«

Janis McDavid ist ohne Arme und Beine geboren und motiviert weltweit Menschen, ihre Möglichkeiten neu zu denken. Am 11. Mai stellt er in der Bad Nauheimer Trinkkuranlage sein neues Buch vor.
05. Mai 2025, 19:20 Uhr
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Janis McDavid hat 2024 auf der Charity-Gala im Bad Nauheimer Hotel Dolce den Inklusionspreis erhalten. ARCHIVFOTO: HANNA VON PROSCH/TEAM MCDAVID

Am Montag haben die Bad Nauheimer Inklusionstage begonnen. Zum Abschluss wird Janis McDavid am 11. Mai aus seinem neuen Buch »All inclusive - Wie wir Job und Alltag barrierefrei machen« lesen. Der ohne Arme und Beine auf die Welt gekommene Redner, Autor und Inklusionsbotschafter ist in der Kurstadt kein Unbekannter, ist er doch Träger des Bad Nauheimer Inklusionspreises 2024. Die Lesung mit McDavid beginnt um 11.30 Uhr im kleinen Saal der Trinkkuranlage. Es handelt sich um eine Kooperationsveranstaltung der Stadt Bad Nauheim und des Fördervereins Inklusion. Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist erwünscht - per E-Mail an familienbuero@bad-nauheim.de oder unter der Telefonnummer 0 60 32/34 35 74. Das Buch »All inclusive - Wie wir Job und Alltag barrierefrei machen« wird voraussichtlich ab dem 20. Mai in den Buchhandlungen erhältlich sein. Im Vorfeld seiner Lesung haben wir den Motivator interviewt.

Herr McDavid, was sind die größten Barrieren in den Köpfen von Menschen mit und ohne Behinderung?

Die Vorstellung davon, was »normal« ist. Viele glauben, sie müssten einem bestimmten Bild entsprechen - körperlich, geistig, beruflich. Das gilt für Menschen mit Behinderung genauso wie für alle anderen. Wenn wir anfangen zu denken, wir seien »nicht genug« oder »zu anders«. Was wir brauchen, ist ein Perspektivwechsel. Nicht: »Was kann jemand trotz etwas?« Sondern: »Was bringt dieser Mensch mit, gerade wegen seiner Erfahrungen?« Und nicht: »Wie kann ich möglichst unauffällig dazugehören?« Sondern: »Wie kann ich echt und sichtbar ich selbst sein?« Das gilt für alle. Inklusion beginnt bei jedem von uns selbst.

Sie denken in Lösungen. Welche sind das für Job und Alltag?

Im Job fängt es bei der Raumgestaltung an: höhenverstellbare, rollstuhlgerechte Tische ohne Tischbeine, Tastpläne für Blinde, farbige Türen als Orientierungshilfe, Leitsysteme, barrierefreie Toiletten. Technisch wird’s richtig spannend: Türen und Aufzüge, die sich mit Augensteuerung öffnen lassen. Digitale Assistenzsysteme, die nicht nur helfen, sondern echte Unabhängigkeit schaffen. Und das nicht als Sonderlösung für Behinderte, sondern als smarter Fortschritt für alle. Die wichtigste Lösung aber bleibt das Mindset: Inklusion ist kein Extra. Sie ist das bessere System: nicht nur reinkommen, sondern dazugehören. Wer wirklich will, findet Wege.

Mobilität ist ein wichtiger Faktor. Scheitert sie nicht oft am Geld?

Sie scheitert viel zu oft nicht an Technik, sondern am Budget. Ein Sportrollstuhl, ein angepasstes Auto, eine smarte Steuerung - das sind keine Luxusgüter, sondern Teilhabe, eine Investition in die Freiheit. Aber viele Krankenkassen und andere Kostenträger sehen das noch wie im letzten Jahrhundert: »Notwendig« heißt dann oft »gerade so überlebensfähig«. Der Ansatz wäre mehr individuelle Beratung, echte Einzelfallentscheidungen und vor allem: ein viel schlankeres, aufgeräumtes System, das versteht, dass Mobilität keine Kür ist. Sie ist Grundrecht.

Was heißt für Sie Leistung in unserer Gesellschaft?

In meinem Buch »All inclu- sive« spreche ich viel über diesen einen entscheidenden Unterschied, den zwischen Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft. Unsere Gesellschaft bewertet Menschen häufig nur danach, was sie leisten können, aber kaum danach, wie sehr sie bereit sind, sich einzubringen. Und genau da liegt das Problem: Wer mit einer Behinderung lebt, wird schnell in die Schublade »nicht leistungsfähig genug« gesteckt, ganz egal, wie groß die Motivation, das Engagement oder die Ideen sind. Dabei ist Leistungsbereitschaft oft der viel wichtigere Faktor. Ich habe Menschen getroffen, die vielleicht nicht alles körperlich umsetzen konnten, aber mit Kreativität und Willen Lösungen finden, auf die kein CEO gekommen wäre.

Was muss die Gesellschaft lernen, damit Inklusion im Berufsleben selbstverständlich wird?

Vor allem eins: Inklusion ist keine Wohltat, sondern ein verdammt kluger Schritt in Richtung Zukunft. Und das beginnt damit, Assistenz, wie ich sie brauche, nicht als Sonderleistung zu sehen, sondern als ganz normales Arbeitsmittel. So wie andere einen Laptop brauchen, brauche ich jemanden, der mir beim Jackeausziehen hilft. Wir müssen endlich weg von der Frage: »Was kostet das?« hin zu: »Was gewinnen wir, wenn alle mitmachen können?« Inklusion im Berufsleben wird erst dann selbstverständlich, wenn Vielfalt nicht mehr als Ausnahme, sondern als Normalfall gedacht wird.

Was treibt Sie persönlich an?

Mich treiben vor allem die Neugierde und die Abenteuerlust an, gepaart mit der Frage: Wie kann ich der Gesellschaft zeigen, dass unsere Vorstellungen von Behinderung überholt sind? Eine vermeintliche Grenze löst in mir einen so starken Drang aus, sie zu durchbrechen, dass ich mich dabei kaum zügeln kann.

Sie haben Schwimmen gelernt.

Ich habe nur deshalb Schwimmen gelernt, weil Schwimmen lernen nicht das Ziel war. Dabei ging es hauptsächlich um meine eigenen gefühlten Grenzen, zum Beispiel, dass ich nie schwimmen werde. Die Angst vor Wasser war einfach zu groß, weil ich zu viele Erfahrungen mit Menschen gemacht habe, die durch meinen Körper im Wasser überfordert waren und mich dadurch traumatisiert haben. Aus meinem ehemaligen Feind, dem Wasser, ist mittlerweile ein Freund geworden.

Viele Menschen sind unsicher, ob sie Menschen mit Handicap oder Menschen mit Behinderung sagen sollen. Ist das in Ihrem Leben wichtig?

Mich beschäftigt weniger die Frage, welcher Begriff richtig ist, als vielmehr die Frage, wieso wir immer glauben, dass es wichtig ist, diese Gruppe in Abgrenzung zur restlichen Gesellschaft benennen zu können. Im politischen Kontext mag das wichtig sein, aber in den allermeisten Bereichen unseres Lebens, wenn es um Freizeitgestaltung, Jobperspektiven, Karriereplanung, Sehnsüchte, Lebensziele geht, bräuchten wir oftmals die Unterscheidung zwischen Menschen »mit oder ohne« gar nicht.

Was bedeutet es für Sie persönlich, gerade hier in Bad Nauheim zu sein?

Ich freue mich riesig auf Bad Nauheim! Auf die Veranstaltung, auf all die inspirierenden Begegnungen und auf diese besondere Energie, die entsteht, wenn Menschen nicht nur zuschauen, sondern gemeinsam etwas bewegen. In den letzten Jahren habe ich Bad Nauheim, seine engagierten Menschen und vor allem den Förderverein Inklusion kennenlernen und wirklich ins Herz schließen dürfen. Ihre Projekte zeigen: Wer anders denkt, schafft neue Wege. Umso schöner, dass ich genau hier mein neues Buch erstmals einem Publikum vorstellen darf, das so viel Offenheit und Gestaltungskraft ausstrahlt. Ich lade Sie herzlich ein: Kommen Sie vorbei, lassen Sie uns gemeinsam lachen, zuhören, staunen und vielleicht auch ein paar alte Denk-Grenzen über Bord werfen. Ich bin gespannt auf Ihre Fragen, Ihre Geschichten. Ich freue mich schon jetzt auf ein echtes Fest der Vielfalt. Bad Nauheim, ich bin so was von bereit!



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