Pasquale Albergamo wohnt selbst über dem »Fellini«. Jeden Morgen, so erzählt er, geht er vor der Öffnung um 8 Uhr hinunter in seine Oase, kreiert nur für sich selbst in der Kaffeemaschine einen Espresso und liest dabei die druckfrische Wetterauer Zeitung. »Das sind für mich stille, wunderbare Momente, die ich vermissen werde«, sagt er spürbar melancholisch.
Am 31. Januar wird er das »Fellini« schließen. Und mit dem Inhaber trauert gefühlt die halbe Stadt um dieses Café, Restaurant, Bistro oder wie man es auch bezeichnen mag. Wie an jedem Tag ist das »Fellini« auch beim Reporter-Besuch zur Mittagszeit wieder proppenvoll. Und es ist gut, dass Pasquale Albergamo einen Tisch in der hintersten Ecke reseviert hat, um über seinen Abschied hier zu reflektieren.
Es treffen sich Gäste aller Generationen
An den Tischen sitzen Senioren, Mitglieder der Generation Z oder Schüler, die ihre Hausaufgaben machen. Das »Fellini« ist in Bad Nauheim Treffpunkt und zwischenzeitlicher Alltags-Urlaub für alle Altersklassen. Deshalb wird es der Stadt fehlen. »Ich bin einfach erschöpft«, lautet die kurze Begründung von Pasquale Albergamo für seinen Entschluss, der unwiderruflich sei. »Ich beschäftige hier rund 30 Leute, und die Hälfte davon ist festangestellt«, sagt er. Das sei nicht einfach zu bewältigen. Zudem habe er keine Perspektive mehr gesehen, weil der Mietvertrag Ende 2025 sowieso ausgelaufen wäre. »Gastronomie ist hier im Haus wohl nicht mehr erwünscht. Und einen Nachfolger finde ich für diesen kurzen Zeitraum nicht mehr. Deshalb habe ich mit meinem Personal einen halben Tag lang gesprochen und ihnen das Ende ihrer Tätigkeit hier erklärt«, bedauert er.
Pasquale Albergamo hat die »Siebzig« in seinem Leben längst überschritten und sich seinen Ruhestand wahrlich verdient. Die Wohnung über dem »Fellini« will er behalten, aber künftig viel mehr Zeit in seiner Heimat in Sizilien verbringen. Doch um seinen Lebenstraum in der Wetterau trauert er natürlich.
Alles wird wieder zurückgebaut
Im Jahr 2010 hat er die Räumlichkeiten in der Bad Nauheimer Kurstraße vom Blumenhaus Dorothee Powilleit übernommen und sofort eine Vision gehabt. »Ich hatte den Traum von einem Kaffeehaus, das in Bad Nauheim eine Begegnungsstätte für alle werden sollte. Wir haben hier ein vielseitiges Publikum. Es kommen Menschen aller Coleur, die in dieser Atmosphäre bei bezahlbaten Preisen gut essen, sich unterhalten wollen und die aus allen Generationen stammen. Dass ich das hier so umsetzen konnte und es ein voller Erfolg wurde, ist für mich natürlich immer noch eine große Genugtuung«, sagt er stolz.
Die Bilder an den Wänden mit Filmstars und anderen Legenden hatte er lange gesammelt und mit viel Liebe in unterschiedlichen Formen selbst eingerahmt. Die Möbel und das Interieur hat er auch auf Flohmärkten entdeckt und für das »Fellini« zusammengefügt. »Ich wollte mit diesem alten Mobiliar das Gefühl vermitteln, dass es schon immer hier so war«, sagt er.
In seinem früheren Leben hatte Pasquale Albergamo Großküchen und technische Geräte für die Gastronomie verkauft und dabei seinen Traum entwickelt. »Ich hatte rund 500 Kunden, habe sehr viel gesehen. Das Fellini ist die Vision, die aus all dem entstanden ist. Ich habe mir sehr viele Gedanken gemacht und wusste von vornherein, wie es aussehen sollte«, erzählt er. Die Investitionen in den Raum seien sechsstellig gewesen, und nun muss er für einen gleichfalls stolzen Betrag im Februar und März alles wieder zurückbauen. »Die Küche, das Interieur, die Bilder, alles muss raus«, erklärt er wehmütig und weiß selbst noch nicht, wo er all die Schätze unterbringen soll. Zu denen gehört auch die Sphinx, für die er sich augenzwinkernd einen Platz vorstellen könnte. »Man könnte sie doch hier gegenüber aufstellen mit einer Gedenschrift an mich und das Fellini«, sagt er mit einem Lächeln. Eine kleine Hoffnung und ein Hintertürchenen lässt Pasquale Albergamo am Ende doch noch offen. In der Karlstraße beispielsweise gibt es den Leerstand einer geschlossenen Apotheke in der Fußgängerzone. »Wenn sich solche Räumlichkeiten anbieten würden, würde ich einen Umbau vom Fellini gerne mit vollem Einsatz begleiten. Auch mit den Bildern und unserer Sphinx.«