01. Juli 2024, 17:57 Uhr

DAS MEGAPROJEKT

A49-Baustelle auf Zielgeraden

Über 50 Jahre haben die Planungen zum Lückenschluss der A49 zwischen Schwalmstadt bis zum Ohmtal Dreieck als Umgehung der A5 und der Kasseler Berge zum Verkehrsknotenpunkt Kassel gedauert. In knapp sechs Monaten soll der Abschnitt für den Verkehr freigegeben werden.
01. Juli 2024, 17:57 Uhr
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Nachdem das Planfeststellungsverfahren im Jahr 2012 abgeschlossen worden war, ging es lange hin und her - Verfahren wurden angestrebt und höchstrichterlich abgelehnt, Umwelt- und Naturschützer protestierten, der »Dannenröder Forst« wurde zum Symbol der Gegner des Autobahnbaus. Bilder davon gingen durch ganz Europa. Der Rechtsstaat blieb seiner Linie treu - setzte das durch unabhängige Gerichte geschaffene Baurecht durch. Parallel zu den Protesten begannen im September 2020 die ersten Baumaßnahmen auf einer Länge von knapp über 30 Kilometern. Etwas über vier Jahre später - bis Jahresende, so der Zeitplan, soll die Anbindung an die A5 im »Ohmtal-Dreieck« fertig sein.

Im jährlichen Abstand hat diese Zeitung den Baustellenfortschritt begleitet. Über 500 Mitarbeiter von der Bau-Arbeitsgemeinschaft (Bau-Arge) und zahlreiche Subunternehmen waren und sind im täglichen Einsatz. Die Baustelle A49 mutet an wie ein großer »Ameisenhaufen«. Von der Planung bis zur Logistik und Umsetzung ist alles untereinander bis ins Detail abgestimmt. Das »A49-Bild«, beispielsweise der Anschluss an die A5, schreitet stündlich voran. Doch dass die Autobahnverbindung zum Jahresende Realität werden soll, ist für einen Laien bei der Baustellenbegehung kaum vorstellbar. Denn während auf der Gleentalbrücke, dem wohl imposantesten Bauwerk auf der gesamten Strecke, einseitig schon die Betonierungen der Fahrbahndecken erfolgen, sind drei Kilometer vor dem Anschluss an die A5, in der Meisenbach bei Maulbach noch erhebliche Erdarbeiten bis hin zu Steinabbrucharbeiten durchzuführen; die nur langsam Meter für Meter vorankommen. Aber Diplom-Ingenieur Werner Jobst, Bereichsleiter Planung & Bau, der seit 2020 von Anfang an an führender Stelle als »rechte Hand« des Geschäftsführers der Autobahngesellschaft GmbH, Jürgen Driebe (mittlerweile im Ruhestand), mitwirkte, ist optimistisch: »Das wird klappen. Wir schaffen das. Auch wenn es momentan nicht danach aussieht. Alle Arbeiten laufen auf Hochtouren ineinander verzahnt.« Am Beispiel der Fahrbahndecken und des Böschungsbaus unterstrich Jobst seine Aussage: Während im Norden bereits die Fahrbahndecken in den Endzustand gebaut werden, die Böschungen schon die erste »Mahd« hinter sich haben und im satten Grün erstrahlen, wird im Süden der Baumaßnahme Erde von der Trasse bewegt, Kanalleitungen gezogen, Böschungen erstellt. Die Brücken sind bis auf die jeweiligen Ausstattungen auf der gesamten Strecke fertiggestellt.

Im Norden ragen noch die Entwässerungsleitungen unter der Fahrbahndecke heraus, Richtung Ohmtal-Dreieck sind sie noch nicht einmal eingezogen. Zäune, die ein Überqueren der Autobahn durch Tiere verhindern sollen, oder Wände zum Lärmschutz für Menschen lassen sich entlang der Trassenführung bereits erkennen. Der Autobahnschluss Homberg/Ohm - über einen Brückenbau erreichbar - ist bereits in der Endphase, die Zufahrten sind sichtbar: Der Verkehr wird über zwei Kreisel getrennt. Nur wenige Kilometer weiter Richtung Süden herrscht fast totale Baudichte; Bagger, Raupen, Baustellenfahrzeuge geben sich in der Gemarkung Maulbach ein Stelldichein. Es herrscht rege Betriebsamkeit. Und selbst Werner Jobst, der regelmäßig auf der Strecke unterwegs ist, resümiert zuversichtlich: »Nach drei Tagen muss ich ganz andere Wege fahren, weil der Ausbau zur Fertigstellung täglich fortschreitet. Doch in der ›Meisenbach‹ geschieht derzeit besonders viel.« Im »Avacon-Tal«, wie es Jobst wegen der großen Strommasten und Stromleitungen nennt, die teilweise sogar verlegt werden mussten, bevor die Arbeiten dort beginnen konnten, liegt der derzeitige Ausführungsschwerpunkt. Hier muss in den nächsten Monaten einiges bewegt und vor allem gebaut werden. Und erneut bekräftigt Jobst seine Aussage zum geplanten Inbetriebnahmetermin. Über das bauliche »Nadelöhr« wird dann der Blick frei zum Ohmtal-Dreieck. Nicht nur die Windräder im Hintergrund vermitteln vor dem blauen Himmel ein schönes Bild. Der Anschluss, als Brückenbau in drei Ebenen, und vor allem das Überführungsbauwerk (in ber Baubranche als Overfly bezeichnet) als Zufahrt von der A49 in Richtung Alsfeld, Bad Hersfeld, Kassel und Hannover stellt eine besondere architektonische Bauleistung in den Blickpunkt.

Zum Jahresende soll der Verkehr von Norden nach Süden und umgekehrt über die A49 fließen und zu einer wirtschaftlichen Verbesserung einer großen Region zwischen Marburg, Gießen und Kassel und zu einer Entlastung des Lkw-Verkehrs in den zahlreichen Anliegergemeinden, darunter auch der Gemeinden Kirtorf, Homberg bis hin nach Alsfeld führen.

Das Bauprojekt wird als öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP) im Rahmen eines Verfügbarkeitsmodells umgesetzt. Planung, Bau, Betrieb und Erhaltung sowie anteilige Finanzierung obliegen der A49 Autobahngesellschaft - ein Gemeinschaftsunternehmen der Strabag Infrastrukturprojekt GmbH und der Meridiam Investments SAS. Der Auftrag für den Lückenschluss ging an die Arbeitsgemeinschaft (Bau-Arge). Er umfasst neben dem vierstreifigen Neubau der A49 auch die Anpassung der A5 über circa 1,5 Kilometer im Bereich des Ohmtal-Dreiecks sowie die gesamte Infrastruktur rund um die Strecke. In dem Projekt sind insgesamt 45 Brücken zu bauen. 39 kleinere Brückenbauwerke und sechs Talbrücken, darunter die »Gleentalbrücke« bei Niederklein-Lehrbach - mit einer Gesamtlänge von 461 Metern und einer Höhe von circa 30 Metern, Die Baukosten sind laut Werner Jobst im Plan. Sie sollen bei rund 750 Millionen Euro liegen, die Gesamtkosten bei 1,3 Milliarden Euro. Dazu gehören Planung, Bau, Betrieb und Erhaltung für eine Dauer von 30 Jahren.

In der Bauphase sind rund 500 Beschäftigte und bis zu 50 Unternehmen im Einsatz. Aktuell arbeiten circa 300 Menschen vor Ort, da einige Bauwerke bereits abgeschlossen sind. Nach der geplanten Inbetriebsnahme zum Jahresende sind noch landschaftspflegerische Maßnahmen bis Ende Oktober 2025 vorgesehen. GKR



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