06. Mai 2025, 19:57 Uhr

Engagierte Kulturveranstalterin

Dörthe Herrlers Anspruch: Keine Massenware

Seit über drei Jahrzehnten prägt Dörthe Herrler mit Leidenschaft die Kulturszene in Ortenberg. Seinen Anfang nimmt alles mit einem italienischen Liedermacher - und einer Kugel Eis.
06. Mai 2025, 19:57 Uhr
NMO
Dörthe Herrler und Pippo Pollina verbindet eine tiefe Freundschaft. Wegen des italienischen Liedermachers hat die Ortenbergerin einst ihr erstes Konzert veranstaltet. ARCHIVFOTO: SEIPEL

Es sind Begegnungen wie diese, die das Leben in eine neue Richtung lenken: ein junger italienischer Musiker, ein Konzert in einem kleinen Kellerclub und eine Studentin mit dem Traum vom eigenen Café. In den 1990er Jahre kreuzen sich zum ersten Mal die Wege von Dörthe Herrler und Pippo Pollina. Was wie eine flüchtige Begegnung wirkt, entwickelt sich über die Jahre hinweg zu einer besonderen Verbindung - und dem Startpunkt eines bemerkenswerten Engagements als Kulturveranstalterin.

»Alles fing mit Pippo an«, sagt Herrler lachend. Es ist ein Konzert im Fresche Keller in Ortenberg, das sie auf Pollina aufmerksam macht. Zwei Jahre später treffen sich die beiden erneut, sie gehen ein Eis essen. Dann kommt die entscheidende Frage: »Dörthe, möchtest du mich nicht das nächste Mal veranstalten?«

Begeisterung und Herzblut

Ohne viel Erfahrung, aber mit Begeisterung sagt Dörthe Herrler zu. Wenig später steht ihr erstes Konzert an: Pippo Pollina tritt im Wappensaal in Gedern auf. »Das war schnell ausverkauft, weil ich wie wild plakatiert habe«, erinnert sie sich. Spontan organisieren sie sogar ein Mitternachtskonzert. Es ist der Beginn eines Weges, der bis heute von Leidenschaft, Neugier und einem feinen Gespür für besondere Künstler geprägt ist.

Was in Gedern beginnt, setzt sich in rasantem Tempo fort. Binnen drei Jahren verlagert sich die Veranstaltungsreihe ins Ortenberger Bürgerhaus, dann findet ein erstes Open Air statt. »Ich war immer der Typ, der gesagt hat: Ich habe zwar keine Ahnung, aber das macht Spaß«, schildert Herrler. Und genau dieses unbefangene Herangehen, gepaart mit viel Herzblut, macht sie zu einer unverwechselbaren Figur in der lokalen Kulturszene.

2003 ist ihr Café fertig: das Herzstück ihres kulturellen Schaffens. Das erste Konzert dort spielt der argentinische Gitarrist Pablo Miguez. Es folgen Lesungen, intime Konzerte, musikalische Grenzgänge. Häufig arbeitet Herrler mit dem Kulturkreis Ortenberg zusammen, dessen Vorsitz sie später übernimmt. Ihr Anspruch: keine Massenware, sondern handverlesene Abende, die berühren.

Das Café »Galerie am Alten Markt« ist ein Ort, der seinem Namen gerecht wird. Die Atmosphäre ist heimelig, fast familiär: Holztische mit den Unterschriften namhafter Künstler wie Ulrich Tukur oder Konstantin Wecker, ein Klavier, das mehr erlebt hat als so manches Konzerthausinstrument, und eine Wurlitzer-Jukebox, »die genauso alt ist wie Pippo Pollina«, sagt Herrler mit einem Augenzwinkern. Einmal im Monat wird diese zum Star: Beim Jukebox-Abend dürfen Gäste den ausgewählten Liedern zuhören. Der nächste Termin ist am Samstag, 10. Mai, ab 19 Uhr.

Doch so charmant die Kulisse auch ist, dahinter läuft ein gut organisiertes System. Denn die Planung eines Konzerts benötigt rund ein Jahr Vorlauf. Technik, Sicherheitskonzepte, Werbung - alles wird akribisch vorbereitet. »Ich bereite ein Konzert so vor, als würde ich Besuch von guten Freunden bekommen«, sagt Herrler. Und trotzdem: Die Aufregung bleibt. Wochen vorher träumt sie manchmal davon, dass etwas schiefläuft.

Ihr Antrieb ist kein kommerzieller. Im Gegenteil. »Ich mache das nicht, weil ich muss, sondern weil ich das, was ich anbiete, selbst gerne erleben möchte«, erklärt sie. Sie sucht die Künstler aus, die sie wirklich berühren, ohne Druck, ohne Zeitplan. Erst wenn ein Abend in ihrem Kopf »fertig gedacht« ist, nimmt sie Kontakt auf. Dieses behutsame Kuratieren hat sich herumgesprochen.

Der Traum von Billy Joel

Die Liste ihrer Gäste liest sich wie ein Kaleidoskop aus Musik, Literatur und Kleinkunst: Stephan Sulke, Edgar M. Böhlke, Emil Steinberger, Erwin Grosche, Ulrich Tukur, Anne Weber, Harry Rowohlt. Viele von ihnen kommen mehrfach, manche bleiben in freundschaftlichem Kontakt.

Dann ist da noch Pippo Pollina. Nach all den Jahren ist er weit mehr als nur ein Name im Kalender, er ist der Ausgangspunkt ihrer Veranstalterlaufbahn. Am Donnerstag wird sie ihn zum ersten Mal ohne Band präsentieren. »Ich freue mich wahnsinnig auf dieses Konzert«, sagt Dörthe Herrler.

Und wenn sie einmal träumen dürfte, ohne Rücksicht auf Machbarkeit? Sie lächelt und sagt: »Billy Joel. Der müsste nur mal kurz zu Besuch kommen und an meinem Klavier spielen.« Es klingt wie ein Wunsch, der unerreichbar scheint, aber bei Dörthe Herrler weiß man nie. Denn ihre Geschichte begann einst mit einem Musiker, einer Kugel Eis und einer einfachen Frage.

Dörthe Herrler, am 20. August 1975 in Frankfurt geboren, wuchs zunächst im Taunus, später in Büdingen auf. Seit 32 Jahren lebt sie in Ortenberg, wo sie seit mittlerweile 27 Jahren an der örtlichen Grundschule unterrichtet. Ihr Studium absolvierte sie in Gießen. Neben ihrer Arbeit als Lehrerin ist sie seit 23 Jahren Inhaberin der »Sinalco-Bar« (Zitat Herrler), der »Galerie am Alten Markt«, und veranstaltet seit 25 Jahren Kulturveranstaltungen in der Region. Auch als Autorin ist sie aktiv - neben Schulbüchern veröffentlichte sie ein Buch über das Leben ihres Großonkels, dem bekannten Werbegrafiker Heinz Fehling. Mit einer Ausstellung über dessen Werk ist sie als Kuratorin unterwegs, zuletzt war sie in Bern. Seit zwei Jahren veranstaltet sie regelmäßig Jukebox-Abende. Zudem leitet sie seit drei Jahren die Stadtbücherei Ortenberg.



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