28. Juni 2024, 21:35 Uhr

Heimspiel in Wölfersheim

Ballermann-Sänger HONK!: Von Södel in die Welt

Mit Hits wie »Anna Lena« und »Delfin« gehört HONK! zu den Stars der Ballermann-Musik. Aufgewachsen ist Jürgen Kadel, wie der Sänger bürgerlich heißt, auf einem Bauernhof in Wölfersheim.
28. Juni 2024, 21:35 Uhr
WJS

Manchmal geht Jürgen Kadel am Ballermann spazieren und freut sich still und heimlich, wenn einer seiner Hits aus einem Ghettoblaster oder einer Strandbar schallt. Einmal habe er in seinem Hotelbett gelegen und gehört, wie die Leute auf der Straße gesungen haben: »Geil, geiler, Anna-Lena«. Zeilen aus einem seiner größten Hits. Es sind die kleinen Triumphe eines Jungen, der auf einem Bauernhof in Wölfersheim-Södel aufgewachsen ist und »durch Zufälle und eine Reihe von glücklichen Entscheidungen« zum Star der Ballermann-Szene geworden ist.

»Senegal, illegal, scheißegal, Wuppertal«: Kadel war bereits gut im Geschäft, als diese Reime - und der dazugehörige Song »Hallo Helmut« - 2017 zu einem Überraschungserfolg auf Mallorca wurden, unter dem Künstlernamen HONK!.

In der Nummer reiht Kadel jene Floskeln aneinander, mit denen die senegalesischen Strandverkäufer auf der Sonneninsel ihre Waren feilbieten (»heute billig, morgen teuer«). Mallorquinisches Lokalkolorit mit tanzbarem Beat und einer Prise »Döp Döp Döp«.

Hymne über das Dorfleben

Witz, Ironie und Doppelbödigkeit seien die Grundzutaten seiner Kunst: »Das kann nicht jeder verstehen.« Auch er selbst nehme sich nicht zu ernst, das sehe man schon an seinem Künstlernamen: Als Honk wird bezeichnet, wer sich nicht besonders klug anstellt.

Einen anderen Hit hat Kadel seinen Wurzeln in der Wetterau gewidmet: »Dorflove« ist eine Hymne auf das Landleben. »Ich bin immer ein Dorfkind geblieben«, erzählt der Musiker, der mit seiner Partnerin und zwei Hunden in »Honkhausen« wohnt, einem kleinen Provinznest irgendwo bei Winterberg, in dem täglich gerade mal zehn Autos mit dem Vogelgezwitscher konkurrieren.

Es ist ein bewusst gewähltes Refugium, als Ausgleich zu einem unsteten Musikerleben: Früher habe er 230 Auftritte in zehn Ländern absolviert. Pro Jahr. Dann habe er gedrosselt, auf immerhin noch rund 150.

Södel: Das ländliche Idyll von Kadels Kindheit

Was für ein Kontrast zum ländlichen Idyll seiner Kindheit: »Wer uns auf dem Bauernhof besuchen kam, musste sich bei meiner Oma am Küchenfenster anmelden«, erinnert er sich. »Eine Klingel gab es nicht.« Seither begleitet ihn die Liebe zu Tieren, die auch in seinen Bildern Ausdruck findet. In der Corona-Pandemie begann Kadel zu malen: Hunde, Katzen, Pferde oder Fabelwesen in Acryl. Und bewies auch dabei ein glückliches Händchen: HONK!-Unikate im Pop-Art-Stil werden ab 2000 Euro gehandelt.

Was war eigentlich die Initialzündung für den Musiker? »Als ich 1984 Depeche Mode im Fernsehen gesehen habe«, sagt Kadel spontan. Er kaufte sich einen Synthesizer und hatte sich mit 15 bereits ein kleines Tonstudio eingerichtet. Nicht jedem gefielen die Techno-Beats des Teenagers: »Das klingt, als würde einer Holz hacken«, zitiert Kadel seinen Vater.

Mit Musik das Studium finanziert

Doch mit treibenden Rhythmen konnte er bereits sein BWL-Studium in Gießen finanzieren. Die Einladung, eine Tour durch das Vereinigte Königreich zu spielen, lehnte er aber ab: »Ich war Bauernsohn, kannte keinen Urlaub und wollte erst mein Studium abschließen.« Eigentlich hatte er promovieren wollen, ließ sich dann aber endgültig von der Musik in die Welt tragen, performte mit dem Projekt »Hacienda« in der Türkei und sogar in Indien.

Eine Formel für seinen Erfolg hat er nicht. Außer: Spaß an der Sache. Und immer wieder Ironie. Zeilen wie »Geiler Arsch, geiler Blick, geiles Stück, Anna-Lena« lassen sich nicht nur mit steigendem Alkohol-Pegel mitsingen, sie haben ihrem Schöpfer den Sexismus-Vorwurf eingebracht. »Das ist mir egal. Wer mich kennt, weiß, dass ich ein liebevoller Mensch bin.«

»Anna-Lena«: Ode an eine starke Frau

Im Kern handele es sich bei »Anna-Lena« ohnehin um die »Ode an eine starke, taffe Frau, mal soziokulturell interpretiert.« 30 000 Menschen haben die Nummer schon lauthals mitgesungen. Das, sagt Kadel, könne ihm keiner mehr nehmen.

»Jetzt muss ich Rasen mähen«, leitet er das Ende des Gesprächs ein. Eine Frage noch: Was steckt hinter dem kryptischen Text seines größten Hits »Delfin«? Das lyrische Ich singt darin von einem Delfin in einer Bauchtasche, der Gefahr läuft, seine Suppe an ein gefräßiges Pferd zu verlieren. »Was haben die Leute da alles reininterpretiert«, sagt HONK! und lacht. Bei einem Songwriter-Camp sollte er aus fünf zufällig gezogenen Begriffen einen Refrain texten. »Ich zog Delfin, Pferd, Bauchtasche, Suppe und Schluckspecht.« Man kann das amüsierte Achselzucken förmlich durch das Telefon sehen, ebenso das schelmische Grinsen.

Vielleicht fallen Kadel ja gleich noch ein paar griffige Reime ein, beim Rasenmähen in Honkhausen.

(Fotos: Imago, PM)

INFO: Heimspiel in Wölfersheim

In Wölfersheim besucht Jürgen Kadel ab und an seine Familie, wenn sein straffer Zeitplan es zulässt. Umso mehr freut er sich auf sein erstes Heimspiel überhaupt in der alten Heimat: Bei der »Ultimate Malle Night« am Samstag, 3. August, am Wölfersheimer See. Auch Ikke Hüftgold wird an dem Abend auftreten, den Kadel als »Förderer und Mentor« bezeichnet.

Viel Zeit hat Kadel am 3. August allerdings nicht. Er ist an dem Tag dreimal gebucht, kommt von einem Auftritt in Dortmund und fährt anschließend weiter nach Alsfeld. Er verspricht, seine großen Hits in Wölfersheim zu performen. Den Song »Frische Erdbeeren« wird es dann vermutlich nicht geben, denn dafür bräuchte HONK! seinen Duettpartner, Schlager-Ikone Heino. Ein Lied mit dem blonden Barden gemacht zu haben bezeichnet Kadel, der schon als Kind Heino imitierte, als »geile Ehre«.



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