. Gerade kleinere und mittelständische Handwerksbetriebe können langfristig nur bestehen, wenn ihre Kunden zuverlässig und pünktlich die Rechnung bezahlen. Doch leider ist das in vielen Fällen nicht so, müssen Handwerker häufig noch lange nach Fertigstellung der Arbeit auf ihr Geld warten. »Liquiditätsprobleme können dazu führen, dass die Betriebe Schwierigkeiten haben, ihren Verpflichtungen gegenüber Mitarbeitern und Lieferanten nachzukommen oder hierfür kostspielige Kredite aufnehmen müssen«, beklagt Björn Hendrischke, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft (KH) Gießen, auf Anfrage des Anzeigers.
Überfällige Forderungsbestände kosten aber nicht nur Zeit, sondern ziehen einen zusätzlichen Arbeitsaufwand nach sich, weil eine Vielzahl rechtlicher Aspekte beachtet werden muss. »Wertvolle Zeit, die den Handwerksbetrieben für die eigentliche Arbeit am Kunden fehlt«, weiß Angelique Grün, Leiterin der Rechts- und Inkassoabteilung der Kreishandwerkerschaft.
Bis hin zu Existenzbedrohung
»Zuletzt konnten wir feststellen, dass sich die Zahlungsmoral der Kunden unserer Betriebe verschlechtert und sich der durchschnittliche Zahlungsverzug erhöht hat«, berichtet die Rechtsanwältin.
Besonders in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld, wie dies aktuell der Fall sei, könnten unbezahlte Rechnungen und eine Vernachlässigung des Forderungsmanagements unter Umständen existenziell für die Betriebe sein und schlimmstenfalls in einer Insolvenz münden. Dies wiederum könne einen unverschuldeten »Domino-Effekt« auslösen und andere Unternehmen mitreißen.
Dem begegnet die Inkassostelle der KH Gießen durch eine auf den betrieblichen Bedarf von Handwerkern spezialisierte Vollstreckung. »Hierbei hilft uns unsere jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit säumigen Schuldnern. Unsere Vorgehensweise richten wir danach aus, was für sie den größten Erfolg und eine schnellstmögliche Zahlung erwarten lässt«, so Grün.
Grundsätzlich rate man Handwerksbetrieben, bei offenen Forderungen schnell zu handeln. »Zügige Mahnungen und ein frühes Inkasso sind ein nicht zu vernachlässigender Liquiditätsfaktor und steigern zudem die Effizienz sowie die Erfolgsaussicht der Forderungsbeitreibung.«
Häufiger als gängige Ausreden - wie etwa »Wir haben keine Rechnung/Mahnung erhalten« oder »Es gab Unklarheiten bei der Leistungserbringung« - sieht man sich mit privaten Schuldnern konfrontiert, die auf Zahlungsaufforderungen einfach nicht reagieren oder von Einnahmeausfällen aufgrund Krankheit, Alter, Kurzarbeit oder sonstigen Schicksalsschlägen berichten.
Öffentliche Hand als Schuldner
Doch antworten Privatpersonen tendenziell schneller als Behörden. »Die Öffentliche Hand zahlt zunehmend Rechnungen mit Verzögerung. Besonders in der Baubranche klagen viele Unternehmen über verspätete Zahlungen durch öffentliche Auftraggeber«, berichtet Hendrischke. Laut einer Umfrage des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe überschreiten Behörden häufig Zahlungsfristen um bis zu einem Monat, in einigen Fällen müssten Unternehmen sogar bis zu sechs Monate auf ihr Geld warten. Ein Hauptgrund dafür sei oftmals der Personalmangel bei Behörden, der zu Verzögerungen in der Bearbeitung führt.
»Öffentliche Auftraggeber nehmen sich gerade in Zeiten angespannter Haushalte immer mehr Zeit und verlängern die Zahlungsfristen aufgrund bürokratischer Prozesse teilweise auf drei und mehr Monate«, ist Grüns Erfahrung. Kommunen und Landkreise würden auf diese Weise immer öfter zu Schuldnern in der Inkassostelle der KH.
Zudem schränken fehlende Zahlungen die Investitionsfähigkeit von Unternehmen in Wachstum, neue Projekte oder Innovationen erheblich ein. »Dies kann einen Betrieb für potenzielle Partner und Kunden unattraktiv machen und so zu einer Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit führen«, gibt Björn Hendrischke zu bedenken.
Fallstudien zeigten, wie Betriebe erfolgreich mit Zahlungsverzögerungen umgegangen sind und erfolgreicher wurden, weil sie ihre Forderungen aktiv überwacht und frühzeitig Maßnahmen ergriffen haben. Hierbei half die Einführung eines strikten Mahnwesens und die Zusammenarbeit mit einem professionellen Inkassodienstleister, die Unternehmensliquidität deutlich zu verbessern. »Das zeigt, dass proaktives Handeln und klare Kommunikationsstrategien entscheidend sind, um Zahlungsverzögerungen zu überwinden«, erklärt Angelique Grün.
Von Erinnerung bis Kontopfändung
Die Arbeit der Inkassostelle der Kreishandwerkerschaft umfasst das ganze Spektrum an Möglichkeiten. Das reicht von der Kontaktaufnahme mit dem Schuldner per Brief, Telefon oder E-Mail, der Vereinbarung von Zahlungsplänen und dem Hinweis auf mögliche Konsequenzen bei Nichtzahlung, über gerichtliche Mahnverfahren bis hin zur Zwangsvollstreckung per Konto- oder Sachpfändungen.
Nicht selten sei man auch mit Fällen eines Eingehungsbetruges konfrontiert. Hierbei handelt es sich um die Fälle, in denen ein Schuldner einen kostenpflichtigen Auftrag in dem Wissen erteilt, dass er die Rechnung hierfür eigentlich nicht begleichen kann. »Diese Fälle verfolgen wir mit aller Härte des Gesetzes und empfehlen unseren Betrieben, mittels entsprechender Strafanzeigen auch die Justizbehörden einzubinden, um auf eine Verurteilung hinzuwirken. Hierdurch kann für die Zukunft vermieden werden, dass auch andere Betriebe derartigen Forderungsausfällen ausgesetzt werden«, erläutert die Juristin.
Redlichen Schuldnern hingegen räumt die Inkassostelle in der Regel eine Ratenzahlungsvereinbarung ein, »die allerdings gerade auch die Interessen der von uns vertretenen Betriebe adäquat berücksichtigen muss«. Daher seien solche Vereinbarungen in der Regel nur über einen kurzfristigen Zeitraum möglich. »Dies soll dafür Sorge tragen, dass die Auswirkungen der Zahlungsverzögerungen bei unseren Unternehmen möglichst zeitnah abgemildert werden.«
Schließlich legt man bei der Inkassostelle der Kreishandwerkerschaft auch Wert darauf, »die Geschäftsbeziehungen zwischen unseren Betrieben und den Schuldnern möglichst zu erhalten. Daher beraten wir unsere Betriebe auch, wie es gelingen kann, Zahlungsausfälle künftig zu vermeiden«, sagt Angelique Grün. Laut Björn Hendrischke könnten die sonstige Unsicherheit und der finanzielle Druck »nicht nur die Firmeninhaber, sondern auch die Mitarbeiter emotional belasten«.