01. Mai 2025, 20:41 Uhr

Zukunft gestaltet

Transformation der Sinter-Sparte bei Schunk in Heuchelheim

Beschäftigungssicherung und Millionen-Investitionen in den Standort in Heuchelheim, aber auch Verzicht bei Lohn und Gehalt.
01. Mai 2025, 20:41 Uhr
EWW
Der Schunk-Turm auf dem Gelände des Konzerns in Heuchelheim wird weiter umgebaut. Er steht für die Standhaftigkeit des Unternehmens, das Gerüst für Veränderung. Anstatt das Sinterwerk an Investoren zu verkaufen, wird jetzt eine Transformation angestrebt. Schunk bleibt damit am Standort. Foto: Waldschmidt

Heuchelheim . Die Gewerkschaft IG Metall, der Betriebsrat und die Schunk-Unternehmensführung haben sich auf einen Zukunftstarifvertrag samt Zusätzen geeinigt. Dieser ermöglicht die Transformation der in Schieflage geratenen Sinter-Sparte und sichert gleichzeitig die Arbeitsplätze vor Ort bis Ende 2030. Er ist seit dem 1. Mai in Kraft.

Zunächst sollte die Sparte mit ihren 450 Beschäftigten, die sich der Herstellung oder Veränderung von Werkstoffen widmen, verkauft werden, da sie schon länger Verluste einfährt. Ein Viertel der 2000 Schunk-Mitarbeiter am Standort hätte einen neuen Arbeitgeber bekommen. Das ist vom Tisch. Im Gegenzug verzichtet nunmehr die gesamte Belegschaft, auch diejenigen der anderen Sparten in Heuchelheim, auf Lohn oder Gehalt in Form von tariflichen Erhöhungen. Sie erhalten dafür eine Beschäftigungssicherung bis Ende 2030.

Darüber informieren der Verhandlungsführer und der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Mittelhessen, Stefan Sachs, der auch stellvertretender Schunk-Aufsichtsratsvorsitzender ist, und der Konzernbetriebsratsvorsitzende Simon Alsmeier auf Anfrage des Anzeigers. Die Gewerkschaftsmitglieder hatten zu 97 Prozent dem Kompromiss zugestimmt.

Interessenausgleich und Sozialplan

Bisher besteht ein Haustarifvertrag im Unternehmen, der eine um fünf Prozent übertarifliche Leistung im Vergleich zum Flächentarifvertrag der IG Metall bietet, die jetzt langfristig abgeschmolzen wird. Einhergehend wurden ein im Betriebsverfassungsgesetz verankerter und von den Arbeitnehmervertretern geforderter Interessenausgleich und dazu ein Sozialplan vereinbart.

Alsmeier betont, dass es den Arbeitnehmervertretern in den Verhandlungen wichtig gewesen sei, für die Sicherheit der Kolleginnen und Kollegen zu sorgen. Daher gebe es eine langfristige Abschmelzung des Haustarifvertrages und die Klausel für die Beschäftigungssicherung.

Wenn die Transformation bis Ende 2030 gut voranschreite, dann gebe es sogar eine Verlängerungsoption bis zum Jahr 2033. Den rentennahen Jahrgängen würden Ruhestandsangebote in Form eines Freiwilligenprogramms gemacht. »Langfristig wird das Sintergeschäft heruntergefahren«, erklärt Alsmeier. In einer Betriebsversammlung im vergangenen Monat wurde über das Ergebnis informiert.

»Wichtig ist, dass die Standorte Heuchelheim und Thale eine Zukunft haben«, unterstreicht der Konzernbetriebsratsvorsitzende. In den heimischen Standort würden bis 2030 mindestens zehn Millionen Euro jährlich fließen, sei mit der Geschäftsführung vereinbart worden.

Zur Transformation gehöre es für ihn auch, den Standort mit den fünf Gesellschaften in der Rodheimer Straße zusammenzuführen. »Der ganze Prozess um den Zukunftstarifvertrag ist bereits von großer Solidarität geprägt. Das gelingt nur, wenn man das solidarisch gestaltet.« Es sei eine Projektgruppe entstanden, die einen Business-Plan erarbeitet.

Druck durch Belegschaft

Alsmeier spricht von einer »Schunk-Lösung«, die letztlich auch durch den Druck der Belegschaft und der Arbeitnehmervertreter gefunden worden sei. Wichtig sei die Botschaft: »Jeder, der bleiben will, kann auch bleiben.« Er muss allerdings auch Verzicht üben. Der IG-Metall-Bevollmächtigte Stefan Sachs unterstreicht, dass am Wildhof in Heuchelheim niemand in der Belegschaft weniger an Jahresentgelt in den beiden Folgejahren bekommt als zum Ende dieses Jahres. Wermutstropfen sei allerdings, dass es keine Tariferhöhung für 2025 gebe und für 2026 ein Prozent weniger weitergereicht würde. »Es ist ein Kompromiss in schwierigen Zeiten.« Letzten Endes bleibe alles unter einem Dach des Stiftungs-Unternehmens. »Wir haben uns zusammengerauft und den Standort resilient gemacht«, erklärt er in Bezug auf die Verhandlungen mit der Geschäftsleitung unter Führung von Dr. Ulrich von Hülsen.

Dr. Neill Busse, Pressesprecher der Schunk-Gruppe, erklärte zum Abschluss der Vereinbarung am Mittwoch: »Unsere Business-Unit Sintermetal hat aktuell Schwierigkeiten, da sie Produkte für die Automobilindustrie fertigt.« Vor dem Hintergrund der schon länger andauernden Schwierigkeiten in der deutschen Automobilindustrie - gerade haben VW und Mercedes einen Gewinneinbruch von 40 Prozent gemeldet - »hat es Überlegungen gegeben, was die beste Zukunft in diesem Geschäftsbereich ist: Verkauf oder Transformation. Beides hat die Geschäftsführung intensiv geprüft und festgelegt, dass die Transformation der beste Weg ist«.

Der größte Bereich in der Business-Unit, die Axiale Presstechnik für Verbrennermotoren, werde nach und nach unter Berücksichtigung der Kundennachfrage auslaufen und durch ein neues Geschäft ersetzt.

Der mit der Gewerkschaft und dem Betriebsrat ausgehandelte Zukunftstarifvertrag samt Interessenausgleich und Sozialplan sehe die Beschäftigungssicherung bis 2030 vor und jährliche Investitionen von mindestens zehn Millionen Euro.

Schwierige Wirtschaftslage

Im Gegenzug werde die Beschäftigtenzahl allerdings sozialverträglich abgesenkt. Betriebsbedingte Kündigungen sollen vermieden werden, außer es treffe das Unternehmen zwischenzeitlich eine Notlage. Es müsse in der derzeitigen allgemeinen Wirtschaftslage mit allen Eventualitäten gerechnet werden.

Für das Schunk-Werk im ostdeutschen Thale, das zur Business-Unit gehöre, sei ein Einvernehmen über eine Arbeitszeitverkürzung von 38 auf 35 Stunden erzielt worden. Einen Haustarifvertrag wie in Heuchelheim habe es hier nicht gegeben. Das dritte Sinterwerk in Mexiko werde weitergeführt.

Auf die Frage, welcher Art die Transformation sein könne, nennt Busse Hightech-Anwendungen auf Kohlenstoff basierend: »Wir sind guter Hoffnung, dass sich solch ein Geschäft sehr positiv entwickelt, aber nicht mehr für den Verbrenner, sondern die E-Mobilität.«



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