08. Mai 2025, 17:50 Uhr

Licher Traditionskneipe

»Schluckspecht« schließt

Aus wirtschaftlichen Gründen werfen die Betreiber das Handtuch. Jetzt werden Nachmieter gesucht.
08. Mai 2025, 17:50 Uhr
KLAK
Das schmucke Fachwerkhaus des »Schluckspechts« in Lich ist heute ein Kulturdenkmal. Foto: Kächler

Lich . »Wir haben das Lokal ›Genuss Atelier Schluckspecht‹ in Lich dauerhaft geschlossen, da es sich wirtschaftlich nicht getragen hat«, erklärt Dr. Dominik Reinhardt, Miteigentümer der traditionsreichen Kneipe in der Licher Heinrich-Neeb-Straße, gegenüber dem Gießener Anzeiger. Gemeinsam mit Wirt Alex Inderthal war das Team im Herbst 2023 noch voller Elan und vielen Ideen gestartet.

Mit einer kleinen, aber feinen Speisekarte, einer hochwertigen Auswahl an Whisky, Gin und Wein sowie einem neuen Interieur wollte man die eher rustikale Kneipe »Schluckspecht« in ein »Genuss Atelier« verwandeln. Auch waren Ausstellungen und Live-Konzerte geplant, mit denen man das kulturelle Leben in der Stadt bereichern wollte.

Doch das Konzept, das sich an »Genießer« richten sollte, scheint nicht gegriffen zu haben.

»Ob es in der aktuell angespannten Situation der Gastronomiebranche eine Lösung durch einen Nachpächter geben wird oder ob das Lokal dauerhaft geschlossen bleiben wird, kann ich nicht einschätzen«, machte Reinhardt auf Nachfrage deutlich.

Die Immobilie befindet sich derzeit im Besitz der Licher Familie Leidner. Wie Christoph Leidner vom Architekturbüro Leidner und Partner dem Anzeiger auf Anfrage verriet, laufe der aktuelle Mietvertrag noch. Gerne unterstütze man das jetzige Betreiber-Team aber bei der Suche nach einem Nachmieter.

Gerüchten, wonach die Miete für das Lokal zu hoch angesetzt sei, erteilte er eine klare Absage: »Wir haben den Mietpreis seit schätzungsweise 15 Jahren nicht angehoben«, so Leidner.

1983 erwarben seine Eltern Rosemarie und Bernd Leidner das Anwesen von Emma Wolf. Der damaligen Besitzerin war es wichtig, dass das Gebäude weiterhin eine Gaststätte beherbergen sollte.

Sehr lange Tradition

Und das nicht ohne Grund: Unter dem ursprünglichen Namen »Zum grünen Baum« wurde dem Gasthaus 1778 die Konzession erteilt.

Das jetzige Gebäude trägt noch die Inschrift des Erbauers mit der Jahreszahl 1749. Seit dieser Zeit durfte im Gebäude, das mittlerweile zum eingetragenen Kulturdenkmal erklärt wurde, eine Gaststätte betrieben werden.

Lediglich der Name der Kneipe änderte sich später in »Zum kühlen Grund«. Vor allem ältere Licher dürften sich noch daran erinnern und vielleicht dort sogar eingekehrt sein.

Wie aus alten Unterlagen hervorgeht, erfolgte zwei Jahre nach Kriegsende im März 1947 die erneute Konzessionserteilung an »Frau Phil. Wolf II«, in Lich bestens bekannt als »Wolfe Emma«.

Die rührige und angesehene Gastwirtin machte aus dem »Kühlen Grund« eine beliebte Gaststätte, die über die Stadtgrenzen hinaus bekannt war. Die Kneipe bestand aus einem etwa 30 Quadratmeter großen Gastraum und einem gut 20 Quadratmeter großen Nebenzimmer mit Zugang von der Straße.

In den 60er Jahren gab Emma Wolf den Betrieb aus Altersgründen ab und verpachtete an Heinrich Nagel aus Rodheim, der hier nun im »Kühlen Grund« auch Speisen anbot.

Als das Ehepaar Leidner 1983 das Gebäude erwarb, wurde vertraglich festgehalten, dass die Gastwirtschaft erhalten bleibt.

Charakter einer Bierkneipe

Nach umfangreicher Gebäudeinstandsetzung im Zuge der Altstadtsanierung erfolgte im Mai 1985 die Einweihung des umgebauten Lokals. Der Name änderte sich in »Schluckspecht«, wobei der zusätzlich geschaffene Gastraum im Untergeschoss mit Gewölbekeller weiterhin den Namen »Zum kühlen Grund« behielt.

Die Innenraumgestaltung wurde dem Charakter der 50er Jahre mit großer Biertheke, Steh- und Sitzplatzangebot im Thekenbereich und gemütlichen Tischgruppen im ehemaligen Nebenzimmer nachempfunden. Die Planung der Neugestaltung der Gasträume lag in den Händen der neuen Hauseigentümer. Die Gaststätte wurde zehn Jahre lang an Peter Lischka verpachtet. 1995 übernahm Hans-Jürgen Schaefer als Schluckspecht-Wirt, ehe er sich 2020 eine neue Herausforderung suchte. Ab 2021 wurde das Lokal von Maurice Zach-Zach und Sebastian Denk geführt, ehe Dominik Reinhardt und Alex Inderthal den »Schluckspecht« übernahmen.

Noch vor zwei Generationen zählte man in der Kernstadt Lich insgesamt 27 historische Gasthäuser. Geblieben sind davon ganze fünf.

»Dauerhaft geschlossen«, steht momentan auf einem Zettel im Fenster des »Genuss Ateliers Schluckspecht« geschrieben. Hoffentlich bleibt dem Traditions-Lokal dieses Schicksal erspart.



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