08. Mai 2025, 18:44 Uhr

Hochsitz in Leihgestern

Keine »mutwillige« Beunruhigung

Keine Ordnungswidrigkeit sieht das Gericht im Umbau eines Hochsitzes. Dieser Umbau hat in der Vergangenheit für Ärger zwischen Jägern und Naturschützern gesorgt.
08. Mai 2025, 18:44 Uhr
WW
Ulrich Lany auf dem reparierten Hochsitz, der ihm Ärger einbrachte. Archivfoto: Wißner

Linden . Der Umbau eines Hochsitzes im Jagdrevier Leihgestern stellte keine Ordnungswidrigkeit dar. Das stellte Amtsrichter Weinig am Anfang der Woche im ersten von zwei anhängigen Verfahren fest und beschloss eine Einstellung auf Staatskosten.

Er sah im Gegensatz zur Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Gießen keine »mutwillige Beunruhigung« eines Weißstorchpaares während der Brut- und Setzzeit im Vorjahr durch die Arbeiten, die die dortigen Jagdpächter vornahmen.

Der Nabu-Kreisverband um Achim Zedler hatte zunächst im Frühjahr 2024 den Vorgang über eine Pressemitteilung publik gemacht, in der noch weitere Vorwürfe gegen nicht genannte Jagdpächter erfolgten. Doch in der Hauptsache ging es um ein Storchenpaar, das auf dem Hochsitz ein Nest für die anstehende Brut habe bauen wollen und durch die Arbeiten der Jagdausübungsberechtigten von seinem Vorhaben abgebracht worden sei, hieß es hier. Hierzu schaltete sich die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Gießen ein, die mit dem Vorfall befasst wurde.

Der Landkreis erließ einen Bußgeldbescheid in Höhe von je 250 Euro plus Verwaltungsgebühren. Den Jagdpächtern Winfried Volz aus Pohlheim und Dr. Ulrich Lany aus Linden wurde eine »mutwillige Beunruhigung« des geschützten Vogels vorgeworfen. Bei derartigen Verstößen sieht das Bundesnaturschutzgesetz bis zu 50 000 Euro Bußgeld vor.

Verteidiger Moritz Mattern vertrat Jagdpächter Volz vor dem Gießener Amtsgericht, wohingegen Lany noch auf sein Verfahren wartet. Mattern erklärte zunächst versöhnlich, dass er die Bußgeldhöhe der Behörde als »human« empfinde, jedoch sei das Geschehen nicht richtig dargestellt worden. Daher sei der Bußgeldbescheid von beiden Jagdpächtern angegriffen worden.

Sie hätten eine dringend notwendige Instandsetzung aufgrund ihrer Verkehrssicherungspflicht am Hochsitz erledigt. Dabei sei das Flach- durch ein Spitzdach ersetzt worden.

Zuvor habe sich ein einzelner Storch auf dem alten Flachdach nur gelegentlich aufgehalten und dabei auch mit die zu behebenden Schäden verursacht. Eine Partnerin habe der Storch zu diesem Zeitpunkt noch nicht gehabt. Die Jagdpächter hätten festgestellt, dass die Dachkonstruktion des Hochsitzes erhebliche Mängel aufwies, sodass dringend Abhilfe hätte geschaffen werden müssen. Es habe eine Einsturz- und Verletzungsgefahr für Mensch wie auch Tier bestanden, da rostige Nägel herausgestanden hätten.

Die Arbeiten seien unerlässlich gewesen und mit der gebotenen Schnelligkeit erfolgt. »Es war eine unabwendbare Maßnahme«, unterstrich Mattern.

Die Vertreter des Landkreises waren von der Argumentation nicht überzeugt, immerhin sei der Hochsitz im Naturschutzgebiet Lückebachaue nicht zugänglich und 50 Meter von einem Feldweg entfernt. Mattern konterte, dass sich leider nicht jeder an ein Betretungsverbot halte und gerade die Grenze zum Schutzgebiet hin sehr stark frequentiert sei.

Tatsächlich habe ein Weißstorchpaar im Bereich der Lückebachaue ein Nest errichten wollen und tat es auch, allerdings in unmittelbarer Nähe auf einem anderen Hochsitz und eindeutig nach dem erfolgten Umbau. Dass gleich nebenan gebrütet worden sei, sei zwischen den Beteiligten unstrittig, erklärte Mattern in Richtung Behördenvertreter. Klar sei damit, dass keine Beunruhigung erfolgt sei. »Das lässt den Bußgeldbescheid in einem ganz anderen Licht erscheinen«, betonte Mattern. Im Übrigen hätten die Jagdpächter von sich aus freiwillig unter anderem einen Hochsitz am Bahndamm in Linden aufgegeben, um den Störchen, die sich dort heimisch fühlten, einen Brutplatz zu verschaffen. Richter Weinig vermochte der Aktenlage nicht zu entnehmen, dass hier eine »mutwillige«, also absichtliche, Beunruhigung erfolgt sei. Nach nur 20 Minuten schlug er die Einstellung des Verfahrens vor. Dem stimmte der Einspruchsführer nach einem kurzen Gespräch mit seinem Verteidiger auf dem Flur zu. Zum Ausgang wollten sich die Sachbearbeiter des Landkreises nicht äußern.

35 Jahre im Vogelschutz tätig

Die Angelegenheit stellt eine emotionale Belastung dar, trifft sie doch mit Volz auch einen passionierten Vogelschützer und mit Lany den Vize-Vorsitzenden des großen Jagdvereins Hubertus, der sich mit der Materie auskennt. Volz schüttelte nach der Einstellung jedenfalls mit dem Kopf, wie man ihm so etwas habe vorwerfen können: »Ich bin seit 35 Jahren in der Watzenborn-Steinberger Vogel- und Naturschutzgruppe tätig, hier sogar im Vorstand.«



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