25. April 2025, 22:21 Uhr

Keine unlautere Werbung

Freispruch für Heuchelheimer

Amtsgericht Gießen: Der Geschäftsführer einer Kanalreinigungsfirma aus Gießen wird freigesprochen.
25. April 2025, 22:21 Uhr
SOW
Die überregional geschalteten Anzeigen eines Kanalreinigungsunternehmens mit Sitz unter anderem in Gießen sind nicht strafbar, da keine Unwahrheiten verbreitet wurden. Der Geschäftsmann wird freigesprochen. Foto: Schwaeppe

. Online und in den Print-Ausgaben der »Gelben Seiten« im Thüringer Raum und in Baden-Württemberg wirbt die in Gießen und Eschborn ansässige Firma eines Heuchelheimer Geschäftsmannes unter der Rubrik »Rohrreinigung« in den Jahren 2017 bis 2021 für ihre Dienstleistung. Dabei nutzt sie unterschiedlichste Firmennamen und gibt auch verschiedene Telefonnummern an, die teilweise auf den ersten Blick »Ortsansässigkeit« suggerieren.

Angeklagt ist der 49-jährige Geschäftsführer aufgrund dessen am Amtsgericht Gießen in elf Fällen wegen »strafbarer Werbung«, die in Paragraf 16 im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) niedergelegt ist. Dort ist zu lesen, dass man sich strafbar macht, wenn man durch »unwahre Angaben irreführend wirbt«.

Dies kann Strafrichterin Dr. Beate Ritzke nach der rund zweistündigen Verhandlung so nicht bestätigen und spricht den Heuchelheimer frei.

»Schwelle der Strafbarkeit nicht überschritten«

»Die Werbung ist zwar teilweise irreführend, aber in der Gesamtschau wird die Schwelle der Strafbarkeit nicht überschritten«, sagt zuvor Staatsanwalt Ullrich in seinem kurzen Plädoyer, in welchem auch er den Freispruch fordert. Es sei zulässig, mit mehreren Markennamen zu werben und auch verschiedene Telefonnummern zu nutzen.

Zudem gab es, wenn auch kleingedruckt in den Anzeigen, Hinweise auf das dahinterstehende Unternehmen. Mit unwahren Aussagen wurde hier nicht hantiert, so der Staatsanwalt. Die Firma sei schließlich auch ihren Aufträgen nachgekommen, teils über ein Netz lokal verorteter Monteure.

Mögliche Wucherpreise oder betrügerisches Handeln und Erpressung waren hier nicht Gegenstand der Verhandlung.

Der Heuchelheimer Geschäftsmann ist bei den Gießener Gerichten kein Unbekannter. Wie sein Anwalt Jan-Alexander Fortmeyer ausführlich vor Gericht erläutert, sei sein Mandant seit Jahren das Opfer eines enormen »Medienhypes«. So habe es ein großes Strafverfahren am Gießener Landgericht gegeben (der Anzeiger berichtete), bei dem mit »enormem Aufwand« und einem 25 Kilogramm schweren Aktenberg einige Familienmitglieder des Angeklagten als »Abzocker, die alte Leute über den Tisch ziehen würden«, betitelt worden seien.

Die im Jahr 2017 von seinem Mandanten nach den Geschehnissen neu gegründete Firma habe sich ebenfalls mit unschönen Medienberichten auseinandersetzen müssen, die ähnliche Vorwürfe beinhalteten. »Da hat ein Medium von dem anderen abgeschrieben und es gab reihenweise gefakte Berichterstattung«, so Fortmeyer, der auch das Wort »Hetzjagd« benutzt.

Bei einem Ermittlungsverfahren sei dann das Büro seines Mandanten auf den Kopf gestellt worden, sogar die Telefone seien abgehört worden.

Letztlich habe das Strafverfahren gegen seinen Mandanten aber nach Paragraf 170, Absatz 2 der Strafprozessordnung eingestellt werden müssen. »Es hat sich nämlich nichts bewahrheitet.« In den hier nun angeklagten Fällen habe man wohl auch gemeint, »etwas gefunden zu haben«.

Der angeklagte Straftatbestand greife aber bei seinem Mandanten nicht. »Da müssen schon unwahre Angaben gemacht werden, um die Kunden hinters Licht zu führen.«

Man könnte bei der Angabe von regionalen Telefonnummern »auf eine solche Idee kommen«, gibt Fortmeyer zu. Aber der Kunde müsse schon schlau genug sein, zu verstehen, dass Firmen auch »überregional« werben würden, egal welche Telefonnummer angegeben sei. Eine Ortsnetznummer zu verwenden, sei durchaus üblich und nicht unrechtmäßig. Auch die eigene Firma mit »Sub-Markennamen« zu betiteln, sei nicht verboten. »Das macht jeder Waschmittelkonzern und auch die Telekom.« Sogar bei der Bundesagentur habe man sich rückversichert, auf diese Weise rechtssicher werben zu dürfen. Sicher sei der 49-jährige Geschäftsmann heimischen Betrieben »ein Dorn im Auge« gewesen. Er habe sein Versprechen, in rund einer Stunde vor Ort zu sein, immer einhalten können. Die Verfügbarkeit vor Ort sei immer gewährleistet gewesen, durch ein »Netz von örtlich tätigen Monteuren«, die der Angeklagte bei Anfragen beauftragt habe. »Es war ein florierendes Unternehmen«, so der Rechtsanwalt.

»Unternehmen ist komplett vernichtet«

Seit 2022 darf der 49-Jährige kein Geschäft mehr führen. Das Regierungspräsidium Gießen untersagte dies. Auch eine Klage dagegen sei vor rund einem Jahr am Verwaltungsgericht Gießen abgewiesen worden, weil es ein gültiges Urteil gegen seinen Mandanten in Kaufbeuren gibt. Man warte immer noch auf einen Termin für das Berufungsverfahren bei der höheren Instanz in Kassel. »Das Unternehmen meines Mandanten mit rund 20 Mitarbeitenden ist komplett vernichtet, und das Gericht kann noch nicht mal über die Zulassung zur Berufung entscheiden«, ärgert sich Fortmeyer.



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