Lich. Die Spatzen pfiffen es schon länger von den Dächern, doch als Wayfair am Freitagnachmittag bekanntgab, sich nach 15 Jahren komplett aus dem deutschen Markt zurückzuziehen, schlug das ein wie eine Bombe. Damit steht fest: Die Firma Wayfair wird Lich verlassen.
Bitter ist diese Entscheidung vor allem für die schätzungsweise rund 200 Angestellten in Lich. Diese Zahl nannte das Unternehmen auf Anfrage des Gießener Anzeigers zuletzt im Jahr 2023.
Wie die Konzernspitze des amerikanischen Online-Möbelhändlers jetzt weiter mitteilte, sei durch den Rückzug insgesamt eine Streichung von rund 730 Stellen geplant.
Diese weitreichende strategische Entscheidung bedeutet auch das Aus für das Logistikzentrum auf der »Langsdorfer Höhe« in Lich. Einst als Zentrallager für ganz Deutschland angepriesen, war der gut 20 Meter hohe Klotz, der von weither die Stadtansicht dominiert, nie wirklich ausgelastet. Selbst zu Corona-Zeiten schaffte es das Unternehmen nicht, die neun zusammenhängenden Lagerhallen mit jeweils rund 20 000 Quadratmetern Fläche zu füllen.
»Stadt in Planung einbinden«
Wie Bürgermeister Dr. Julien Neubert (SPD) auf Nachfrage erklärte, sei er ebenfalls erst am Freitag vom Standortleiter darüber unterrichtet worden, dass Wayfair sein komplettes Deutschlandgeschäft aufgeben werde.
»Für mich kam diese Nachricht überraschend, da die Entscheidung einen kompletten Strategiewechsel des Unternehmens bedeutet«, so Neubert. »Ich bedauere die Entscheidung sehr, weil viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun ihren Arbeitsplatz verlieren und die Firma Wayfair ein sehr angenehmer Partner vor Ort war, der sich regelmäßig durch die Unterstützung von sozialen Initiativen einbrachte.« Wie der Bürgermeister weiter ausführte, habe er bereits Kontakt zur Eigentümergesellschaft des Areals und zur Wirtschaftsförderung des Landkreises Gießen aufgenommen, aber noch keine Rückmeldung erhalten. Wichtig sei es ihm, in den Prozess, der jetzt anstehe, eingebunden zu werden, so Neubert.
Was aus dem riesigen Lagergebäude in Lich wird, ist derzeit nicht absehbar. Wayfair war nur Mieter. Angeblich gebe es wohl Interessenten für das Areal.
Laut Medienberichten schrieb CEO und Wayfair-Gründer Niraj Shah in einer internen Mitteilung, die Expansion in Deutschland habe zu viel Zeit und Geld in Anspruch genommen. Gründe seien unter anderem schwache wirtschaftliche Bedingungen, eine zu geringe Markenbekanntheit und das begrenzte Angebot.
Die angekündigten Entlassungen treffen insbesondere Lager-, Kundenservice- und Konzernmitarbeiter.
Etwa die Hälfte der betroffenen Angestellten könne im Unternehmen bleiben, wenn sie bereit seien, an Standorte wie London oder Boston umzuziehen, erklärte Wayfair-Finanzchefin Kate Gulliver.