07. Mai 2025, 16:17 Uhr

Kriegsende in Allertshausen

Als die US-Truppen anrücken

Der Zeitzeuge Reinhold Schubach erinnert sich an das Kriegsende in seinem Heimatort Allertshausen und an den Einzug der amerikanischen Besatzungstruppen.
07. Mai 2025, 16:17 Uhr
DGE
Deutsche Soldaten kommen auf dem Rückzug durch Allertshausen, die US-Truppen sind schon im Anmarsch. Foto: Karl Wagner

Rabenau . Es ist Frühling im beschaulichen Bergdörfchen Allertshausen, es blüht und grünt wie es das auch sonst tut. Und doch sind diese Tage im Mai 1945 anders. Am 8. Mai ist der Zweite Weltkrieg offiziell beendet. Im Hauptquartier der alliierten Streitkräfte in der französischen Stadt Reims wird einen Tag zuvor, am 7. Mai, verhandelt. Per Vertrag wird die bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte festgehalten. Damit endet auch das Nazi-Regime. Adolf Hitler hatte Selbstmord begangen, das »Deutsche Reich« befand sich in Auflösung. Sechs Jahre hatte der Zweite Weltkrieg getobt, hatte Millionen von Opfern gefordert. Nicht zu vergessen, die Millionen von Menschen, die in den Konzentrationslagern ermordet worden waren. Für die Überlebenden dieser Lager endete ein jahrelanges Martyrium.

In den Wald geschlichen

Doch in diesen letzten Tagen, jenen Frühlingstagen im Mai, bevor der Krieg dann wirklich vorbei ist, ist in Allertshausen noch viel Bewegung.

Reinhold Schubach ist heute 95 Jahre alt, als 15-Jähriger erlebte er das Kriegsende. Die deutsche Wehrmacht ist auf dem Rückzug, die amerikanischen Streitkräfte rücken an. »Von Allendorf sind sie hoch nach Nordeck und von Beuern sind sie nach Großen-Buseck gefahren«, blickt er zurück. Auch in seinem Heimatdorf waren Besatzungstruppen. Sie kamen aus Richtung Allendorf, Schubach schleicht sich mit seinem Bruder und Freunden in den Wald und beobachtet aus seinem Versteck, wie die Fahrzeuge in Richtung Allertshausen rollen. Als plötzlich ein Kanonenschuss ertönt, suchten die heimlichen Beobachter schnell das Weite.

Reinhold Schubach erwischte in den letzten Zügen des Kriegs noch die Wehrpflicht, »die war kurzerhand auf 15 Jahre runtergesetzt worden«. In der Nähe von Annerod war er stationiert. Er sollte dort in der Küche helfen. »Da war ein Radio, über das man den ›Feindsender‹ BBC hören konnte. Den habe ich eingeschaltet.« Er hört, dass die Alliierten auf dem Anmarsch nach Wetzlar sind und ruft seine Kumpels zusammen: »Morgen laufen wir heim.« Schubach beschreibt die Stimmung: »Es hieß nur, rette sich, wer kann.« Und das tun sie auch. Jeder läuft einzeln los, in der Gruppe wäre das Risiko zu groß gewesen. Zu Fuß macht sich Schubach auf den Weg. Querfeldein läuft er bis nach Allertshausen. »Ich hatte Glück. Schließlich war klar, dass das sehr gefährlich war. Die Amerikaner hätten mich ja auch erwischen und einsammeln können.«

Oberhalb seines Dorfes gab es einen Beobachtungsposten, dort waren die Nachrichtenhelferinnen stationiert. »Die Blitzmädels« haben Alarm geschlagen und die zentrale Stelle in Gießen alarmiert, wenn Flieger kamen. Die deutsche Wehrmacht zog sich zurück, die Besatzungstruppen zogen in Allertshausen ein.

»Wir hatten, glaube ich, zehn Amerikaner im Haus, die waren einquartiert.« Ausquartiert wurde dagegen die Familie - »die musste im Kuhstall schlafen« - nur die kranke Oma durfte in ihrem Zimmer bleiben. Sein Bruder, damals 20 Jahre alt, war Soldat, diente bei den Fallschirmjägern und war an der Westfront eingesetzt.

In der Scheune versteckt

Er hatte jedoch just zu dieser Zeit gerade Sonderurlaub bekommen. Ihn und zwei weitere Soldaten auf Urlaub versteckte man vor den Besatzern in der Scheune im Heu. »Einer hatte sich zur Sicherheit ein Schlachtermesser besorgt«, erinnert sich der 95-Jährige. Das wurde glücklicherweise nicht gebraucht. Schubachs Mutter versorgt die drei mit Essen. Um keine Aufmerksamkeit zu wecken, tut sie so, als müsse sie die Kühe füttern. »Das Versteck hat zum Glück keiner entdeckt.«

Im Dorf hätten sich alle Soldaten ab 18 Jahren melden müssen. »Da fuhr ein Laster der Amerikaner durchs Dorf, der hat die alle eingesammelt. Ich bin hinterher gelaufen. Das weiß ich noch. Die sind ins Lager nach Remagen gebracht worden und kamen irgendwann halb verhungert zurück. Manche sind dort auch gestorben«, erzählt der Allertshäuser.

Nach wenigen Tagen sind die US-Truppen wieder weg. So langsam kehrt wieder Ruhe, kehrt der Alltag ein. »Dass der Krieg endlich vorbei war, darüber waren alle froh«, so Reinhold Schubach.



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