15. April 2022, 13:00 Uhr

Gießen

»Wir brauchen einen sehr langen Atem«

Der Krieg in der Ukraine dauert an und eine gewaltige Welle an geflüchteten Menschen hat die Nachbarstaaten und die Europäische Union erfasst. Auch in Gießen sind die Auswirkungen zu spüren.
15. April 2022, 13:00 Uhr
Für Geflüchtete ist es wichtig, sich auch nach ihrer Ankunft in Gießen möglichst schnell registrieren zu lassen, um finanziell und materiell unterstützt zu werden. Foto: Landkreis

Die Stadt Gießen versucht, möglichst rasch und unbürokratisch den Menschen zu helfen, die hier gestrandet sind. »Wir brauchen einen sehr langen Atem«, vermutet Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher, wenn er sich die Auswirkungen des militärischen Konflikts vor Augen hält. Mit dem hauptamtlichen Magistrat informierte er über ein ganzes Bündel von Maßnahmen, mit denen ankommende Ukrainerinnen und Ukrainer zügig in die Gesellschaft eingegliedert werden sollen - unabhängig davon, wie lange diese Nothilfe bestehen bleiben muss und ob die Menschen irgendwann in ihr Heimatland zurückkehren können.

Suche nach Unterkünften

Ein Fokus liegt zunächst auf der Suche nach einer Unterkunft. Wer nicht privat einquartiert ist - bei Verwandten, Bekannten oder anderen Quartiergebern -, kommt zunächst in die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen in Gießen. Diese weist dann den einzelnen Landkreisen eine bestimmte Zahl an Geflüchteten zu - und somit anteilig auch der Stadt Gießen. Dort hat das Büro für Integration als Stabsstelle die Aufgabe der Koordination und Vernetzung von Hilfsangeboten übernommen.

Umgehend anmelden und registrieren

Zwischen 24. Februar und 5. April hat die Stadt Gießen 576 Menschen aus der Ukraine registriert. Wer in Gießen untergebracht ist, sollte sich möglichst umgehend im Stadtbüro anmelden, um bei der Ausländerbehörde einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Dann besteht eine Aufenthaltserlaubnis sowie die Inanspruchnahme finanzieller und materieller Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Die Stadt Gießen aktualisiert auf ihrer Homepage sowie in einer Lose-Blatt-Mappe in deutscher und ukrainischer Sprache laufend Basisinformationen für Geflüchtete: Anmeldung, Registrierung, soziale Leistungen, Beratungsstellen, Gesundheitswesen, Sprachkurse, Kinderbetreuung, Schule, Wohnen und vieles andere samt Kontaktdaten von Ansprechpersonen und Einrichtungen. Zusätzlich werden die Kapazitäten in Bereichen wie der Registrierung oder der Migranten- und Flüchtlingsberatung erweitert. Um den Landkreis Gießen bei der Unterbringung von Geflüchteten zu unterstützen, leitet die Stadt Gießen entsprechende Angebote an den Pool des Landkreises weiter. Bei privaten Unterkunftsgebern prüft die Stadt, ob die jeweiligen Quartiere geeignet sind.

Ein wesentlicher Aspekt ist das Angebot für Kinder und Jugendliche. In Planung mit Kooperationspartnern sind Spielkreise für Kinder im Kindergartenalter, Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche sowie die Unterbringung und Begleitung unbegleiteter Minderjähriger.

Es werden Klassen für Seiteneinsteiger gebildet, in denen Kinder und Jugendliche Deutsch lernen können. Wer die Sprache gut beherrscht, kann in allgemeinen Schulen aufgenommen werden. Zudem sollen Jugendliche die Gelegenheit haben, an den Online-Angeboten des ukrainischen Schulsystems teilzunehmen.

Minderjährige ohne Begleitung versorgen

Die Abteilung für unbegleitete minderjährige Ausländer ist mit der Erstversorgung dieser Kinder und Jugendlichen befasst. Zehn Jugendliche sind derzeit unbegleitet und in Inobhutnahme des Jugendamts. Sie wollen in Deutschland bleiben und hier Schule und Ausbildung absolvieren. Weitere vier Minderjährige befinden sich im Haushalt von Verwandten im Stadtgebiet. Bei Kindern und Jugendlichen in Begleitung von Verwandten oder anderen Erwachsenen muss ermittelt werden, inwieweit die in der Ukraine verbliebenen Erziehungsberechtigten den Personen die Aufgabe der Sorge für ihre Kinder übertragen haben.

Für den überwiegenden Teil ihrer Aufwendungen muss die Stadt in Vorleistung gehen, weil noch nicht geklärt ist, wer dafür letztlich aufkommt. Daher werden die zusätzlichen Maßnahmen dokumentiert, um belastbares Zahlenmaterial zu haben.

0
Kommentare | Kommentieren