20. Januar 2022, 13:00 Uhr

Gießen

ADFC fordert 4.500 neue Fahrradstellplätze

Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub Gießen fordert von der Stadtverwaltung deutlich mehr Anstrengung, um das Angebot an Fahrradstellplätzen auszubauen.
20. Januar 2022, 13:00 Uhr
In der Innenstadt - wie hier in der Marktstraße - werden Fahrräder wegen fehlender Stellplätze häufig an Pfosten und Schilder angekettet, um sie vor Diebstahl zu schützen. Foto: ADFC

Im Stadtgebiet gebe es aktuell 5.500 Stellplätze. Diese Zahl stagniere seit ungefähr zwei Jahren.

Seit zehn Jahren erhebt der ADFC Gießen jährlich die Anzahl der städtischen Fahrradstellplätze, die rahmenfestes Anschließen zulassen. Von den rund 5.500 derartigen Stellplätzen seien mehr als 3.500 in den vergangenen neun Jahren von der Stadt geschaffen worden. »Die Gießener Zahlen waren viele Jahre beachtlich und konnten problemlos dem Vergleich mit Städten wie Berlin oder Frankfurt standhalten, wo über erfolgreiche Volksbegehren verbindliche, jährliche Zubauraten vorgeschrieben sind«, teilte der ADFC mit.

In dieses Lob mischt sich jetzt aber auch Kritik des Fahrradclubs: Seitdem die Stadtverordneten im September 2019 beschlossen hätten, Gießen bis 2035 klimaneutral umzugestalten und den Radverkehr massiv auszubauen, tue sich in Gießen kaum noch etwas. »Während von 2013 bis 2019 jährlich durchschnittlich 444 neue Fahrradstellplätze von der Stadt geschaffen wurden, waren es in den letzten beiden Jahren jährlich nicht einmal halb so viele«, so der ADFC.

Fahrradstraßen ohne Fahrradbügel

Besonders verwundert sei der Club, dass 2020 zwar endlich drei erste Fahrradstraßen eröffnet wurden, in diesen Straßen aber nicht ein einziger Fahrradbügel aufgestellt wurde, sodass nun in diesen Bereichen vor Geschäften, kirchlichen Einrichtungen und Arztpraxen immer wieder Fahrräder wild abgestellt werden müssten. »Das behindert dann bei den geringen Restgehwegbreiten immer wieder auch Personen, die zu Fuß unterwegs sind, sowie radfahrende Kinder, die die Gehwege nutzen müssen.«

Der ADFC Gießen verweist zudem auf viele Sportstätten, Schulen, Kindergärten und Friedhöfe, wo es noch immer keine oder zu wenig Fahrradstellplätze gebe. Auch an Bushaltestellen sowie vor Geschäften, Gastronomie und in dicht bebauten Wohnquartieren mangele es an Fahrradbügeln im öffentlichen Straßenraum. Die Stadt solle beim Thema Fahrradparken nun nachholen, was in den letzten beiden Jahren versäumt worden sei.

Mit Blick auf die Klimaziele der Stadt Gießen habe der ADFC ein eigenes Fahrradparkkonzept für Gießen erstellt und beim »Runden Tisch Radverkehr« Ende 2021 vorgestellt. Er setzt dabei vor allem auf viele dezentrale Standorte mit nur wenigen Abstellplätzen. Das Konzept sieht aber auch 580 neue Stellplätze am Bahnhof und 300 weitere am Freibad Ringallee vor.

Insgesamt schlägt der ADFC vor, an rund 350 Orten mehr als 4.500 neue Stellplätze innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre zu schaffen. Nur wenn in diesem Umfang und Tempo gearbeitet werde, könne die Verkehrswende gelingen. Da das Land die Abstellplätze zu rund 70 Prozent fördere und die Montage der Fahrradbügel auch an Fremdfirmen oder die Stadtwerke vergeben werden könne, lasse sich die große Zahl auch in ein bis zwei Jahren realisieren. »Die Mehrheiten für zügige Maßnahmen zur Radverkehrsförderung sind sowohl in der Stadtverordnetenversammlung als auch in der Bevölkerung vorhanden. Jetzt kommt es darauf an, dass die Koalition auch die personellen Ressourcen bereitstellt und konkrete Maßnahmen mit klarem Zeitplan beauftragt. Im bisherigen Bummeltempo wird Gießen bis 2035 nicht klimaneutral«, so Vorstandsmitglied Jan Fleischhauer.

Hoher Planungsaufwand

Dass in den vergangenen Jahren das Angebot an Stellplätzen kaum noch zugenommen hat, bestätigte Magistratssprecherin Claudia Boje auf Anfrage des Sonntag-Morgenmagazins. »Vorwiegend wegen Personalausfalls und Corona konnte nur eine kleinere Zahl von neuen Abstellanlagen errichtet werden«, teilte sie mit. Davon betroffen seien auch die geplanten neuen Abstellanlagen am Bahnhof zwischen Gleis 1 und Neuer Post sowie am Alten Wetzlarer Weg in der Nähe des Fußgängerstegs über die Gleise des »Oberhessischen Bahnhofs«. An diesen beiden Standorten sollen 440 Abstellmöglichkeiten entstehen, darunter auch Fahrradboxen und Lastenradstellplätze. »Aktuell sind wir jedoch auf einem guten Weg und gehen von einer Fertigstellung bis zum Jahresende aus«, so Boje.

Bei Standorten mit geringem Planungs- und baulichen Aufwand habe im vom ADFC monierten zweijährigen Zeitraum eine größere Zahl fertiggestellt werden können. Gerade im Innenstadtbereich seien aber künftige Anlagen mit einem höheren Aufwand verbunden.

Der Kritik an den Fahrradstraßen ohne Fahrradbügel entgegnete Boje, die Gehwege seien überwiegend so schmal, dass ohne erhebliche Beeinträchtigungen für Fußgänger keine Absteller errichtet werden könnten. Geprüft würden aber Abstellmöglichkeiten in seitlichen Nahbereichen.

Die Forderung des ADFC, innerhalb von zwei Jahren 4.500 neue Stellplätze zu schaffen, sei allerdings wegen des erheblichen Aufwands an Arbeit, Beantragung von Fördermitteln und Vergabe von Bauaufträgen nicht realisierbar.

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