28. Februar 2020, 15:00 Uhr

Marburg

Reanimation als »Königsdisziplin«

Beim 19. Mittelhessischen Rettungsdienst-Symposium im Uniklinikum lag der Schwerpunkt diesmal auf der »Königsdisziplin« der Notfallmedizin: der Reanimation.
28. Februar 2020, 15:00 Uhr
Im Rettungsdienst-Symposium konnten die Teilnehmer praktische Übungen absolvieren. Foto: Rettungsdienst Mittelhessen

Die zweitägige, überregionale Fortbildungsveranstaltung stieß auf überaus große Resonanz bei Einsatzdienst-Mitarbeitenden und Notfallmedizinern. Workshops zu Themen wie Kinder-Reanimation und Simulationstrainings zu Telemedizin, zur Unfallchirurgie im Rettungsdienst und zur Stillung von Blutungen gehörten zum Programm.

Team vor schwierigen Entscheidungen

Insbesondere die Frage, wann eine Reanimation beendet werden muss, stellt Notfallsanitäter und Notärzte vor schwierige Entscheidungen, die unter Zeitdruck und unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Einflussfaktoren getroffen werden müssen. Referenten beleuchteten dies aus medizinischer, rechtlicher und ethischer Sicht.

Dabei zeigte sich, dass nur für innerklinische Reanimationen Daten zur Einschätzung des Reanimationserfolgs vorliegen. Im präklinischen Bereich sind Notfallmediziner und Einsatzteams dagegen auf die Beurteilung der individuellen, im Einsatz ermittelbaren Patientendaten und ihr Erfahrungswissen angewiesen. Referentin Dr. Birgit Plöger stellte diesbezüglich fest: »Wir brauchen weitere Forschung in diesem Bereich!«

Auch aus rechtlicher und ethischer Sicht ist das Durchführen und der Abbruch einer Reanimation nicht einfach zu entscheiden, denn aus beiden Perspektiven ist der Patientenwille maßgebend. Allerdings ist dieser in einer Notfallsituation meist nicht zu ermitteln. Aus rechtlicher Sicht gibt es eine Vielzahl von Prüfkriterien, allen voran die Frage, ob eine Patientenverfügung vorliegt, ob diese Gültigkeit hat, ob sie eindeutige Formulierungen bezüglich Reanimation enthält und ob der Patient überhaupt geschäftsfähig ist.

Ist eine Sachverhaltsprüfung nicht möglich, gilt der mutmaßliche Wille als fachlicher Standard. Der Notarzt muss dann aus medizinisch-fachlicher Sicht selbst entscheiden und hat damit eine enorme Verantwortung.

»Ethische Grundsätze, wie dem Menschen keinen Schaden zuzufügen, die Fürsorgepflicht, der Respekt vor Autonomie und Selbstbestimmung sowie die Gerechtigkeit allen Patienten gegenüber, sollten im Einsatz ebenfalls eine Rolle spielen«, meinte Dr. Steffen Grautoff, Oberarzt und Notfallmediziner aus Herford. Er plädierte dafür, dass Notfallmediziner im Reanimationsablauf Zeitfenster für notwendige Klärungen finden, während das Rettungsteam die Reanimation fortsetze.

Die Entscheidung zum Reanimationsabbruch solle nach seiner Auffassung nicht der Notarzt allein treffen, sondern gemeinsam mit dem Einsatzteam getroffen werden. Auch die richtige Beendigung des Einsatzes sei aus ethischer Perspektive bedeutsam, das heißt: Zeit für die Angehörigen und gegebenenfalls die Organisation weiterer Unterstützung, aber auch Zeit für eine Einsatznachbesprechung im Team.

Auch andere Aspekte der Versorgung im Notfall kamen im Symposium zur Sprache, denn in kritischen Situationen ist der Zeitfaktor häufig ein ausschlaggebender Faktor für den Behandlungserfolg. Gerade im ländlichen Raum mit langen Transportwegen wirft dies die Frage nach neuen Konzepten auf, damit mehr lebenserhaltende Interventionen als bisher möglich werden.

Als ein Beispiel wurde hier das Heidelberger Medical Intervention Car vorgestellt, das im Rahmen eines Forschungsprojektes unterwegs ist. Es wird von hochqualifizierten Ärzten besetzt und ist für die Unterstützung des vor Ort befindlichen Rettungsteams gedacht. Selbst Notoperationen können mit dem Equipment dieses Fahrzeugs am Einsatzort stattfinden.

Telemedizin bietet interessante Perspektive

Ein wichtiges Thema mit interessanten Perspektiven ist die Telemedizin im Rettungsdienst, die derzeit in den mittelhessischen Landkreisen erprobt wird. Sie macht es möglich, Patientendaten aus dem Einsatzfahrzeug 1:1 an einen Telenotarzt zu übermitteln. Er beurteilt die Werte und unterstützt damit das Einsatzteam bei Entscheidungen. Damit, so Referent Dr. Dennis Humburg, könnte perspektivisch die Zahl der Einsätze reduziert werden, bei denen der Notarzt zu nicht lebensbedrohlichen Situationen gerufen wird.

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