08. Juli 2017, 16:28 Uhr

Dillenburg

Dem Sonnenuntergang entgegen

Das Landgestüt in Dillenburg wird geschlossen. Doch bis im Ausbildungsstall der letzte Strohhalm weggefegt wird, wird noch viel Zeit vergehen.
08. Juli 2017, 16:28 Uhr
Die große Schulquadrille grüßte wohl letztmalig die Besucher der Hengstparade rund um das Hessische Landgestüt in Dillenburg. Foto: Weber

Wer hält die Zügel zur Schließung des Landgestüts in der Hand? Die geplante Schließung des Gestüts durch das Hessische Umweltministerium macht bestehende Verträge nicht hinfällig. Mindestens bis August 2018 werden auf dem Gestüt Lehrgänge stattfinden. Und solange in Dillenburg Reiter, Fahrer, Reitlehrer und Pferdewirte ausgebildet werden, solange werden in den Ställen Pferde stehen.

Was passiert mit den rund 30 Mitarbeitern und Auszubildenden? Diese sollen wohl nicht entlassen werden bzw. ihre Ausbildung abschließen können. Dann wäre es aber wohl nicht möglich, das Landgestüt bereits 2018 zu schließen. Eine offizielle Stellungnahme von Ministerpräsident Volker Bouffier zum Thema steht noch aus.

Tierschutz als Grund?

Grund für die Entscheidung des Ministeriums sollen wohl nicht die Finanzen des Landgestüts sein, die schon einige Zeit zu wünschen übrig lassen. Vielmehr sieht Umweltministerin Priska Hinz aus dem benachbarten Herborn das Tierwohl gefährdet.

Da das Gestüt mitten in der Stadt liegt, grenzen an die Anlage keine Wiesen. Die Pferde bekämen daher nicht genügend Auslauf. Auch wenn die Anlage um einen Aktivstall erweitert würde, verbessere das nicht die Situation der Pferde. Die Hengsthaltung werde demzufolge noch 2017 beendet, heißt es seitens des Gestüts.

Auch argumentiert Hinz damit, dass der Betrieb eines Landgestüts nicht zu den Aufgaben einer Landesregierung gehöre. Eine mögliche Erweiterung um mehrere Koppeln, wie es Bürgermeister Michael Lotz während der vergangenen Stadtverordnetenversammlung mitteilte – etwa am Köppel oder im Hofgarten – stünde damit wohl nicht zur Debatte.

Stehen somit doch die Kosten des Landgestüts im Vordergrund? Immerhin ist erst vor wenigen Jahren das historische Reithaus aufwendig saniert worden.

Meinungen gehen auseinander

Petra Fischer vom Reiterverein Herborn sagte, dass auch bei ihnen im Verein nach Bekanntgabe der Schließung darüber diskutiert wurde. »Sowohl Mitglieder als auch Ausbilder bei uns haben alle unterschiedliche Auffassungen. Spontan sagt jeder: Klar, Pferde müssen raus und brauchen genügend Auslauf und können das Argument der Umweltministerin nachvollziehen.« Auf der anderen Seite hätten aber auch erfahrene Pferdehalter erklärt, dass es eben bei Hengsten durchaus deutliche Unterschiede in der Haltung gebe und diese eben nicht neben männlichen Rivalen oder gar rossigen Stuten gehalten werden können, berichtet Fischer. »Ein Richtig oder Falsch kann man sehr schwer einschätzen – wichtig ist es, dass es den Tieren gut geht«, sagt Fischer.

Auch im Landkreis Marburg-Biedenkopf ist die Schließung des Landgestüts ein Thema. Alexandra Appel, Inhaberin des Hof Appel (Pferdepension & Landwirtschaft) in Cölbe-Bürgeln, sieht die Schließung und eine Umsiedlung der Hengste kritisch: »Wenn die Tiere 20 Jahre oder länger ihren geregelten Ablauf haben und es ihnen damit gut geht, kann es schwierig sein, sie an ein neues Zuhause zu gewöhnen.« Natürlich sei ein ordentlicher Auslauf wichtig und Dillenburg sehr eingeschränkt, sagt Alexandra Appel. Sie kann allerdings nicht nachvollziehen, dass das Thema nach so langer Zeit jetzt auf den Tisch kommt und das Land Hessen keine Alternative zur Erweiterung außerhalb des Gestüts in Erwägung ziehe.

Online-Petition gestartet

Die Schließung schlägt hohe Wellen. So zeigen sich die Mitarbeiter enttäuscht. Vor allem, weil sie offensichtlich über die Medien von der Schließung erfahren haben und nicht von ihrem Arbeitgeber, dem Land Hessen.

Online unter www.change.org wurde eine Petition zum Erhalt des Landgestüts gestartet. Innerhalb von 24 Stunden hatten sich dort bereits 7.500 Teilnehmer eingetragen.

Wie es mit den Gebäuden weitergeht, ist unklar. Priska Hinz hat zumindest bei Bekanntgabe der Schließung direkt Vorschläge gemacht. Gastronomie sei die Lösung: Cafés, Restaurant oder aber Mietwohnungen.

Die Reitanlage wurde 1869 gegründet und steht seitdem für die Ausbildung in der klassischen Reitkunst und Pferdewirtschaft. 1929 wurde sie um eine Reit- und Fahrschule eweitert. Mit Paradeplatz, Stallgebäude, Reithallen und historischer Orangerie hat die Anlage eine Fläche von zehn Hektar. (sr)

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